■ Scheibengericht
: The Watersons

Frost and Fire. A Calender of Ritual and Magical Songs (Topic Records TSCD 136)

„For Pence and Spicy Ale“ (Topic Records TSCD 462)

„Ihr Mutlosen, seht, die Tapferen

halten

Eure gute Sache hoch!

Wie Jesus werden sie verfolgt

Durch böse Menschen und

Gesetze.

Füllt eure Reihen, mehrt eure

Zahl,

Verbreitet die Charter weit und

breit!

Die Wahrheit ist mit uns und

Gott auf unserer Seit'.“

Die englische Arbeiterbewegung, in ihren Anfängen „Chartismus“ genannt, lebte von solchen Songs – Liedern voll kämpferischer Inbrunst, die nicht nur in den Textinhalten ihre engen Beziehungen zu den alten christlichen Hymnen offenbarten. Von der Kirche ins Gewerkschaftslokal war der Weg nicht weit, und so mancher feurige Agitator hatte das Abc seiner Redekunst als methodistischer Laienpriester bei Erweckungsfeiern unter freiem Himmel gelernt. Tatsächlich waren es Anfang des 19. Jahrhunderts auch oft dieselben Leute, die sonntags „Carols“ für den Gottesdienst schrieben, um werktags Streiklieder zum Arbeitskampf beizusteuern. Sie machten häufig auch Anleihen bei den Folksongs um sie herum.

Die Watersons, das führende Vokalensemble des britischen Folks der siebziger Jahre, haben in ihrer besten Phase eine Reihe von Alben mit plebejischem Liedgut gemacht, wie es auf den Straßen und in den Kirchen und Kneipen im englischen Unterklassenmilieu vor 200 Jahren virulent war. Viele der Lieder waren eng mit den Bräuchen des Jahres verbunden, bei deren Feierlichkeiten es zuweilen wild herging. Sie sind auf der CD „For Pence and Spicy Ale“ enthalten. Andere Songs entstammen einem religiösen Kontext (CD „Frost and Fire“) und können auf eine abenteuerliche Geschichte verweisen. Daß wir heute noch von ihnen wissen, hat mit dem Umstand zu tun, daß sie von Auswanderern, oft Sektenmitgliedern der „Shakers“ oder „Primitive Methodists“, nach Amerika gebracht worden waren, wo sie weiterhin bei der Andacht angestimmt wurden, während sie in ihrem Mutterland im Zuge der viktorianischen Reformen aus den Kirchen verbannt und aus den Gesangbüchern entfernt wurden (um so nach und nach auch aus dem kollektiven Gedächtnis zu verschwinden). Einige dieser alten „Carols“ mußten erst in alten „Hymnbooks“ in Amerika wiederaufgestöbert werden, weil sie in England verschollen waren.