PKK macht der Türkei Friedensangebot

Auf Brüsseler Konferenz schlägt kurdische PKK-Guerilla der türkischen Regierung international überwachte Waffenruhe und Verzicht auf eigenen kurdischen Staat vor  ■ Aus Brüssel Thomas Dreger

Wenige Tage vor dem kurdischen Neujahrsfest Newroz am 21. März und den türkischen Kommunalwahlen am 27. März hat die Führung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) der Türkei Friedensverhandlungen angeboten und von einem kurdischen Separatstaat Abstand genommen. PKK-Europasprecher Kani Yilmaz verlas gestern in Brüssel eine entsprechende Erklärung des PKK-Generalsekretärs Abdullah Öcalan, in der es heißt, die PKK sei „offen für alle Vorschläge und Initiativen anderer Staaten und internationaler Organisationen“. Ausdrücklich erwähnt Öcalan die Möglichkeit einer türkisch-kurdischen Föderation. Entgegen Behauptungen der türkischen Regierung und Militärs bestehe die PKK nicht auf der Errichtung „eines separaten Staates“ und „der Zerstückelung der Türkei“. Als Voraussetzung forderte Öcalan einen international kontrollierten Waffenstillstand. – Grundlage für einen türkisch-kurdischen Frieden soll laut Öcalan eine Resolution sein, die gestern von den rund 300 Teilnehmern einer unter anderem von „medico international“ organisierten Kurdistan-Konferenz in Brüssel verabschiedet werden sollte. An dem Treffen nahmen nicht nur Kurden, sondern auch Politiker aus Westeuropa, den USA und Südafrika teil; die Organisatoren haben im Vorfeld intensive Konsultationen mit der PKK-Führung geführt. Im vorliegenden Resolutionsentwurf werden EU, KSZE und UNO aufgefordert, auf die türkische Regierung Druck auszuüben. Die Regierungen Deutschlands und der USA sollen ihre Waffenlieferungen an den Nato-Partner einfrieren und militärische und ökonomische Sanktionen verhängen, solange die türkische Regierung elemantare internationale Verpflichtungen ignoriere. Die PKK und die türkische Regierung werden aufgerufen, Völkerrecht und Menschenrechte zu achten.

Die besondere Sorge der Konferenzteilnehmer galt den am 27. März anstehenden türkischen Kommunalwahlen. Bei einem demokratischen Ablauf würde mit hoher Wahrscheinlichkeit im Südosten des Landes die kurdische „Partei der Demokratie“ (DEP) einen Erdrutschsieg erringen. Um dies zu verhindern, werden Parteimitglieder von der Regierung systematisch drangsaliert. Fünf DEP-Parlamentsabgeordnete sitzen derzeit in türkischen Gefängnissen. Seit der Aufhebung ihrer parlamentarischen Immunität droht ihnen wegen „Separatismus“ die Todesstrafe.

Schon die Wahl des Konferenzorts, eines Fünf-Sterne-Hotels in der „EU-Hauptstadt“ Brüssel, machte deutlich, daß als Adressat der Resolution weniger die türkische Regierung als das westliche Ausland anvisiert war. Istanbul versuchte bis zuletzt, auf diplomatischem Wege Belgien zu einer Annullierung der Veranstaltung zu bewegen. Bei der Stadtverwaltung von Brüssel hatte es damit Erfolg: Kurzfristig mußte die Konferenz aus der Innenstadt an den Flughafen ausgelagert werden.

Mit Kani Yilmaz trat erstmals bei einer internationalen Konferenz ein offizieller PKK-Vertreter auf. An seinem Revers trug er ein Schild mit der Aufschrift „Europavertreter der PKK“ und als Herkunftsland „Deutschland“ – unbeeindruckt von der Tatsache, daß die Bundesregierung im vergangenen November PKK-Aktivitäten verboten hatte. Ebenfalls aus der Bundesrepublik angereist war Udo Steinbach, Direktor des Deutschen Orientinstituts in Hamburg. Der quasi als inoffizieller Nahostberater des Bonner Außenministeriums agierende Steinbach bezeichnte Yilmaz' Rede als „positiv“ und „etwas, das man auch in Bonn vorzeigen kann“.

Bereits vor einem Jahr hatte die PKK eine ähnliche Initiative gestartet. Ein zum 20. März 1993 von Öcalan ausgerufener befristeter einseitiger Waffenstillstand hatte mit dazu beigetragen, daß beim vergangenen Newroz-Fest vergleichsweise wenige Tote zu beklagen waren. Die Waffenruhe war von der PKK am 8. Juni wieder aufgekündigt worden, weil die türkische Regierung keinerlei Anstalten machte, darauf einzugehen. Dieses Schicksal könnte auch der neuen Friedensinitiative beschieden sein: Auf die Frage, was die PKK unternehmen werde, falls in Ankara nicht auf das Angebot aus Brüssel reagiert werde, sagte PKK- Sprecher Yilmaz lapidar: „Dann geht der Krieg weiter.“