Keine Chance im "Windhundrennen"

■ Berliner Senat stoppt zwei Arbeitsförderprogramme für Frauen / Lohnkostenzuschüsse des 100-Millionen-Programms für beide Geschlechter / Effektive Frauenförderung in Niedersachsen

„Wir wollen Frauen gezielt fördern und ihnen zukunftsträchtige Erwerbsfelder erschließen“, hieß es noch im November 1992 in einer Broschüre der Berliner Senatorin für Arbeit und Frauen, Christine Bergmann (SPD). Die damals angepriesenen Frauenförderprogramme hat die Senatorin jetzt auf Eis gelegt. Den mit der Auszahlung der Fördermittel beauftragten Servicegesellschaften teilte die Senatorin mit, daß sie vorerst keine Unterstützung für Frauen ab 45 Jahre und keine Hilfen zur Eingliederung im „gewerblich-technischen Handwerksbereich“ mehr gewähren sollen.

Die Programme hatte Senatorin Bergmann als Reaktion auf die hohe Arbeitslosigkeit unter älteren Frauen und Facharbeiterinnen entwickelt. Private Betriebe bekamen Zuschüsse von 40 oder 50 Prozent des Bruttolohns, wenn sie eine arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit bedrohte Frau einstellten.

Die Unterstützung wurde jetzt beendet, bevor sie richtig begonnen hatte. Im August 1993 zahlten die Servicegesellschaften die ersten Zuschüsse aus. Knapp fünf Monate später – nach dem Schreiben der Frauensenatorin von 17. Januar 1994 – wurden bereits keine Anträge mehr angenommen. Über die Zahl neugeschaffener Arbeitsplätze und die Höhe der ausgegebenen Mittel kann der Senat keine Angaben machen. Auch nicht über die Höhe der Mittel, die theoretisch zur Verfügung gestanden hätten.

Die Frauenförderprogramme seien nur „sehr bescheiden genutzt worden“, meint ein Mitarbeiter der Servicegesellschaft „Zukunft im Zentrum“. Möglicher Grund: Die Betriebe wußten nichts davon, weil die Senatsverwaltung kaum Werbung machte. Trotzdem waren die eingefrorenen Lohnkostenzuschüsse „eine sehr interessante Kombination aus Frauen- und Wirtschaftsförderung“, stellt Helga Krause von der „Beratungsgesellschaft für Arbeitsbeschaffung und Wirtschaftsförderung“ fest. Vornehmlich Betriebe im Ostteil Berlins hätten Arbeitsplätze mit Frauen besetzt, die andernfalls an Männer vergeben worden wären. Der Tendenz, daß vor allem Männer die Arbeitsplätze in Handwerk und Technik bekommen, sei damit entgegengewirkt worden. Mehrere Betriebe für Gas- und Wasserinstallation hatten aufgrund des Programms Installateurinnen eingestellt. Arbeitsberaterin Krause: „Das Programm war ein Segen für die Frauen.“

Die beiden Frauenförderprogramme seien nicht abgeschafft, sondern lediglich bis zu einem noch nicht bestimmten Zeitpunkt unterbrochen worden, erklärte Bettina Martin, Sprecherin der Arbeitssenatorin. In der Zwischenzeit werde den Betrieben ein neues Programm mit der Summe von 100 Millionen Mark angeboten, dessen Förderbedingungen im übrigen vorteilhafter seien. Lohnkostenzuschüsse würden über drei Jahre gezahlt – und nicht wie bei den Frauenprogrammen nur über in der Regel ein Jahr. Mit dem 100-Millionen-Programm will der Berliner Senat eine größere Zahl von Arbeitsplätzen in kleinen und mittleren Unternehmen schaffen. Knackpunkt: Das 100-Millionen- Programm fördert Arbeitslose beider Geschlechter, und nicht speziell Frauen.

Frauen hätten damit wieder einmal das Nachsehen, meint Arbeitsberaterin Krause. „Wenn ein Mann das gleiche Geld mitbringt, stellt der Betrieb eher einen Mann ein.“ In dem jetzt beginnenden „Windhundrennen“ zwischen Männern und Frauen um dieselben Arbeitsplätze seien die Männer „schneller“. Auch Bettina Martin von der Senatsverwaltung ist sich dieser Gefahr bewußt, meint aber, daß die Benachteiligung von Frauen in dem neuen Programm vermieden werden kann: Die Arbeitssenatorin habe schließlich festgelegt, daß Frauen entsprechend ihrem prozentualen Anteil an der Arbeitslosigkeit, also zu mehr als 50 Prozent, beim 100-Millionen-Programm Berücksichtigung finden.

Zweifel sind angebracht: Ein anderes geschlechtsneutrales Instrument aus dem Hause Bergmann, das Programm zur Gründung von Kleinbetrieben, brachte es auf einen Frauenanteil von 40 Prozent. Knapp 400 Frauen bekamen bislang Kredite zur Existenzgründung.

Das rot-grün regierte Bundesland Niedersachsen macht dagegen vor, wie effektive Frauenförderung aussehen kann. Das niedersächsische Programm richtet sich ausschließlich an Existenzgründerinnen. Ergebnis: Bis Juli 1993 wurden 632 Frauenbetriebe unterstützt – über 30 Prozent mehr als in Berlin. Hannes Koch