Die Pflicht zur Faulheit Von Mathias Bröckers

Als im letzten April die Abschaffung von Feiertagen zur Sicherung der Rentenfinanzierung propagiert wurde, haben wir an dieser Stelle diese Kahlschlagpolitik als Kulturschande und Rückkehr zum Planeten der Affen gegeißelt. Außerdem haben wir, wozu es selten genug Anlaß gibt, den Freistaat Bayern als leuchtendes Vorbild hingestellt:

„Und so ist das Land der Bayern zu preisen für den Erhalt von Mariä Himmelfahrt, Dreikönig und anderer aussterbender Arten. Und es wäre grundfalsch, auch nur einen unserer säkularisierten, sinnentleerten christlichen Feiertage abzuschaffen, bevor nicht anderweitig Ersatz geschaffen ist und bevor es nicht gelingt, die verlorengegangene Fähigkeit zum Feiern – zum statischen Nicht-Tun und zur ekstatischen Überschreitung – wiederherzustellen. Was es braucht, wäre eine, quasi Post-Mitscherlisch'sche, ,Feierarbeit‘. Zuerst aber muß der Kahlschlags- Wahnsinn in Bonn gestoppt werden – und sei es mit einem Franz- Josef-Feiertag in Bayern.“

Mittlerweile gibt es einen weiteren Grund, dem Aussterben der Feiertage energisch entgegegenzutreten: den Treibhauseffekt. Eine Studie der globalen Temperaturdaten der letzten 14 Jahre hat zur allgemeinen Überraschung erbracht, daß es an Werktagen wärmer ist als an Wochenenden oder Feiertagen. Daß die Umgebung von Städten dank Autoverkehr und Fabrikschloten urbane Wärmeinseln bildet, die höhere Temperaturen aufweisen als die umliegenden Gebiete, war schon länger bekannt. Daß diese „Hotspots“ sich aber auch auf planetarischer Ebene bemerkbar machen, ist neu. Adrian Gordon vom „Flinders Institute for Atmospheric Sciences“ in Adelaide (Australien) fand bei der Temperaturanalyse von über 5.000 Tagen zwischen 1979 und 1992, daß Sonntag der kühlste Tag ist. Es folgt eine schrittweise Erwärmung, die ihren Höhepunkt am Mittwoch erreicht, um den Rest der Woche dann wieder abzukühlen. Warum sinkt die Temperatur schon donnerstags und freitags? Gordon erklärt das Rätsel mit der Tatsache, daß Feiertage häufig auf Donnerstage und Freitage fallen: „Mindestens zwei Prozent aller Donnerstage in den USA sind Feiertage.“ Darüber hinaus ist der Freitag der Feiertag der islamischen Welt, die im Fernen Osten schon alle Räder stillstehen läßt, während es im Westen immer noch Donnerstag ist.

Nun beträgt die globale Differenz zwischen Sonntagen und dem „heißen“ Mittwoch zwar gerade mal zwei Hundertstel Grad – aber dennoch birgt diese Untersuchung eine wunderbare Perspektive für die Abwendung der Klimakatastrophe: Feiertage und nochmals Feiertage. Denn was nützt es, wenn wir in 30 Jahren zwar mit sicherer Rente und voll pflegeversichert rumlümmeln, aber die Polkappen schmelzen ab und alles ersäuft? Also ganz klar: Feierarbeit ist angesagt, und das nicht nur der Kultur wegen, sondern zum Erhalt der gesamten Biosphäre. Wer hätte gedacht, daß das Recht auf Faulheit noch einmal zur Pflicht, ja zum kategorischen Imperativ werden würde? Aber genau so ist es. Denn wenn wir fortfahren, in unserem affenartigen Wachstumswahn Dampf zu machen, steht das Ergebnis jetzt schon fest: Die Erde wird in einen giftigen Backofen verwandelt. Es gibt nichts zu tun, packen wir's an!