Mehr Krebs durch Wismut-Altlasten

■ Öko-Institut sieht erhöhtes Risko in ganzen Landstrichen

Berlin (taz) – Die Altlasten des Uranbergbaus in der DDR erhöhen das Krebsrisko Hunderttausender Menschen in den Bundesländern Sachsen und Thüringen deutlich. Das Öko-Institut legte gestern eine neue Studie vor, nach der Menschen in den Uranbergbaugebieten eine 10 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit haben, an Krebs zu erkranken.

Im sächsischen Oberschlema könnten durch Radonausdünstungen der Halde, durch die Arbeitszeit im Bergbau und die Verwendung von strahlendem Abraum als Baustoff sogar jeweils 60 von tausend Einwohnern zusätzlich an Krebs erkranken. Und im thüringischen Raum Ronneburg führe die Belastung zu sechs zusätzlichen Krebstoten pro Jahr, sagte Mitautor Gerhard Schmidt in Berlin.

Eine Milliarde Tonnen Abraum und uranhaltiges Gestein und noch einmal 200 Millionen Tonnen chemisch verseuchte, strahlende Schlämme sind nach den Angaben in den 45 Jahren Uranbergbau der deutsch-sowjetischen Wismut-Gesellschaft angefallen. Mindestens 5.000 Menschen seien in den Jahren bei der Wismut berufsbedingt zu Tode gekommen.

Statt aber das größte ökologische Problem Ostdeutschlands dort anzupacken, wo das Risiko am größten ist, versinke die Sanierung der Uranaltlasten im Finanz- und Zuständigkeitschaos, so Schmidt. Nach der Wende hat die Bundesregierung zwar die wirtschaftliche Verantwortung bei der Wismut übernommen. Doch lehnt der Bund die Sanierung der Uranaltlasten aus den vierziger und fünfziger Jahren ab. Für diese Altlasten sollten nach Auffassung des Bundes die Kommunen und Neueigentümer aufkommen. Hintergrund: Die vom Bund für die Sanierung eingeplanten 15 Milliarden Mark reichen nicht aus. Die Wissenschaftler des Öko-Instituts verlangen als Sofortmaßnahmen, einige der strahlenden Halden in Schächte und Gruben des Uranbergbaus zu verfüllen. Andere müßten an geeignetere Standorte verlagert oder vorläufig abgedeckt werden.

Vor allem aber dürften die betroffenen Menschen nicht weiter als Bürger zweiter Klasse höheren Radioaktivitätsdosen ausgesetzt werden als im Westen zulässig. Die reale Belastung liege zum Teil bei über 10 Milli-Sievert pro Jahr und damit 30mal so hoch wie in der Bundesrepublik West erlaubt. Rechtlich ist das möglich: Im Einigungsvertrag ist ein Passus enthalten, der die höheren Strahlenschutzgrenzwerte der DDR in den fünf neuen Ländern weitergelten läßt. Eine vor dem Bundesverfassungsgericht anhängige Klage dagegen ist noch nicht entschieden. Hermann-Josef Tenhagen