Brennendes Öl im Bosporus

Öltanker vor Istanbul mit Frachter kollidiert und in Brand geraten / Türkische Regierung warnt seit langem vor der gefährlichen Meerenge / Fischerdörfer und Urlaubsstrände verseucht  ■ Aus Istanbul Ömer Erzeren

Noch am vergangenen Freitag konnten die Einwohner der 10-Millionen-Metropole Istanbul ein riesiges Transparent auf der Bosporus-Brücke bestaunen. Über der Istanbuler Meerenge wehte ein Greenpeace-Spruchband: „Stoppt die Todesschiffe“. Die Katastrophe folgte am Sonntag. In der Nacht kollidierte ein Öltanker mit einem Frachter in der Meerenge. Die Schiffe gingen in Flammen auf, mehrere Explosionen folgten, und Rohöl floß in die Meerenge.

Der unter zypriotischer Flagge fahrende Tanker „Nacciea“, der von Rußland auf den Weg nach Genua war, hatte fast 98.500 Tonnen Rohöl geladen, als er mit dem ebenfalls zypriotischen Frachter „Ship-Broker“ kollidierte. Das Feuer ist mittlerweile unter Kontrolle. Schlepper haben den brennenden Tanker in Richtung Schwarzes Meer gezogen. Bei dem Unglück sind mindestens 13 Menschen gestorben, weitere 16 Besatzungsmitglieder werden vermißt. 29 Menschen wurden verletzt. Brennende Körper wurden von Fischern aus dem Meer gezogen.

Die Istanbuler Ortsteile Rumeli Kavagi und Anadolu Kavagi, zwischen denen sich die Katastrophe ereignete, sind beliebte, bewaldete Ausflugs- und Fischerdörfer am Ausgang des Bosporus. Das Wasser an den Ufern ist verseucht. Daß bislang die Rauchschwaden des Brandes die Istanbuler Stadtzentren nicht erreicht haben, ist dem Umstand zu verdanken, daß der Südwestwind in Richtung Schwarzes Meer wehte. Doch jeden Augenblick kann sich der herrschende Nordwestwind ändern. „Dann erstickt die Stadt in Kohlenmonoxid“, kommentiert der Umweltexperte der Universität Istanbul, Erdinc Kipman. Der Südwestwind trug auch dazu bei, daß der Tanker nicht auf die Munitions- und Treibstofftanks der türkischen Armee in Anadolu Kavagi zutrieb. Mittlerweile hat die Istanbuler Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aufgenommen. Zum Zeitpunkt der Kollision befanden sich auf beiden Schiffen keine Lotsen. Schon seit Jahren versucht die Türkei erfolglos, den ungezügelten Transitverkehr durch die Meerenge zu kontrollieren. Der Vertrag von Montreux, den die Türkei 1936 unterzeichnet hat, zählt den Bosporus, der teils nur 800 Meter breit ist, zu den internationalen Gewässern mit freien Durchfahrtsrechten für die zivile Schiffahrt. In der Meerenge, die vergangenes Jahr 50.000 Schiffe passierten, herrscht noch nicht einmal Lotsenpflicht.

Am 1. Juli tritt eine neue Verordnung in Kraft, die erste Auflagen anordnet und die Sicherheit in der Meerenge erhöhen soll. Die türkische Anordnung, die unter anderem vorsieht, daß nicht gleichzeitig zwei Öltanker den Bosporus passieren dürfen, stieß auf herbe Kritik seitens Rußlands. Die Russen sahen ein Verstoß gegen das Abkommen von Montreux. Rußland will langfristig kaukasisches und zentralasiatisches Erdöl über die Istanbuler Meerenge befördern, während die Türkei auf eine Pipeline besteht. Nach dieser jüngsten Katastrophe sind die Töne im türkischen Außenministerium radikaler geworden. „Die Türkei kann nicht tatenlos zusehen, wie eine 10-Millionen-Stadt in Gefahr gebracht wird“, sagte der türkische Außenminister Hikmet Cetin. Auch die Verordnung sei noch keine endgültige Lösung: „Der Bosporus darf nicht für Öltransporte genutzt werden.“