Stasi-Offizier mit Gedächtnislücken

■ Der Potsdamer Stolpe-Ausschuß konnte gestern nicht klären, ob er vom Ministerpräsidenten belogen wurde / CDU packte plötzlich die Fragelust

Potsdam (taz) – Ob Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) vor dem Untersuchungsausschuß des Landtages tatsächlich richtig gelogen hat, ließ sich gestern in der 25. öffentlichen Beweisaufnahme des Ausschusses nicht klären.

Stolpe hatte bei einer früheren Vernehmung vehement bestritten, am 21. November 1978 mit Mitarbeitern der Staatssicherheit in dem konspirativen Objekt „Wendenschloß“ zusammengetroffen zu sein. An diesem Tag soll nach den Angaben des MfS-Offiziers Klaus Roßberg der IM „Sekretär“ die Verdienstmedaille der DDR von den beiden Stasi-Offizieren Roßberg und Wiegand erhalten haben. Stolpe hat diese Version stets bestritten. Er will die Auszeichnung nicht von der Stasi, sondern vom Staatssekretär für Kirchenfragen, Seigewasser, erhalten haben.

Diese Darstellung vertritt auch der Stasi-Offizier Wiegand. Nun förderte am Wochenende aber das Fernsehmagazin „Spiegel-TV“ Belegungsnachweise zutage, nach denen die Stasi-Villa „Wendenschloß“ just an diesem Tage von Stolpe und seinen Führungsoffizieren aufgesucht wurde.

Vor dem Untersuchungsausschuß wollte sich der Ex-Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit, Joachim Wiegand, gestern nicht erinnern, ob er am fraglichen Tag in der Stasi-Villa war oder nicht. Die jetzt aufgefundenen Belegnachweise erklärte er damit, daß es sich möglicherweise nur um eine Reservierung für ein längerfristig geplantes Treffen mit Stolpe gehandelt habe. Dies habe dann möglicherweise nicht stattgefunden: „Ob wir dagewesen sind, das weiß ich nicht.“

Darüber hinaus bestritt Wiegand in seiner vierstündigen Vernehmung, daß Stolpe über die bisher bekannten, teilweise wertvollen Präsente hinaus, Gelder von der Staatssicherheit erhalten habe.

„Spiegel-TV“ hatte dagegen am Wochenende auch weitere Quittungen präsentiert, aus denen zahlreiche „Zuwendungen“ an den IM „Sekretär“ hervorgehen. Wiegands Worten zufolge müsse man den Begriff Zuwendungen als Auslagen der Stasi-Mitarbeiter, Aufwendungen für Nahrungs- und Genußmittel oder für übergebene Blumensträuße verstehen. Im Rahmen der Überwachung der Kirchenaktivitäten seien zudem „Beträge auf Stolpe geschrieben worden – der hat die Piepen nie gesehen“.

Ministerpräsident Manfred Stolpe blieb gestern bei seiner früheren Darstellung. Schriftlich ließ er verbreiten, daß offensichtlich „von bestimmter Seite alles versucht wird, mit Nebelbomben den Abschluß des Untersuchungsausschusses vor den Landtagswahlen zu behindern“.

Die gestern für den frühen Nachmittag vorgesehene Einvernahme des Ministerpräsidenten verschob sich weit nach hinten. Der Grund dafür war das eigentlich Erstaunliche in der geplanten letzten Sitzung des Ausschusses: Die Vertreter der CDU haben plötzlich Lust an präzisen Fragen und Nachfragen gefunden. Kein Wunder: Zum einen steht die Listenaufstellung auch in der CDU für die Landtagswahlen im September bevor, zum anderen hat die Bonner Parteizentrale der Christdemokraten den Fall Stolpe zur Chefsache erklärt. Zwei Bonner Mitarbeiter arbeiten nun den CDU-Fragestellern zu. Wolfgang Gast