Neuaufnahme der Nahostgespräche rückt näher

■ Rabin reist nach Washington / Hochrangige israelische Delegation in Tunis / Ärger in Jerusalem und den USA über russische Initiative im Nahen Osten

Tel Aviv/Berlin (taz) – Zweieinhalb Wochen nach dem Massaker in Hebron scheint eine Wiederaufnahme der palästinensisch-israelischen Nahostverhandlungen näher gerückt. In diesem Sinne äußerte sich gestern jedenfalls Ministerpräsident Jitzhak Rabin, bevor er zu einem Treffen mit US-Präsident Clinton abreiste. Eine für gestern abend angesetzte Beratung im UN-Sicherheitsrat über die Resolution zum Massaker wurde jedoch kurzfristig abgesagt. Gründe wurden nicht genannt.

Nach Aussage von US-Außenminister Warren Christopher hat es in Telefonaten mit Rabin und PLO-Chef Arafat während der letzten Tage „positive Entwicklungen“ gegeben. Christopher hatte auch erklärt, der New Yorker UN- Sicherheitsrat könne wohl noch Anfang dieser Woche seine Resolution zum Massaker von Hebron verabschieden, ohne Gefahr zu laufen, daß die USA von ihrem Vetorecht Gebrauch machten.

Seit dem Massaker streitet man im Sicherheitsrat vor allem um zwei Fragen: Welchen Umfang und welche Qualität soll die „internationale Präsenz“ zum Schutz der Palästinenser in den besetzten Gebieten haben? Wird „Ostjerusalem“ in der Entschließung genannt oder nicht? Die PLO hat ihre weitere Beteiligung an den israelisch- palästinensischen Teilautonomiegesprächen über Jericho und den Gaza-Streifen unter anderem von der Verabschiedung einer Resolution abhängig gemacht, in der das Massaker verurteilt wird und Sicherheitsgarantien für die Palästinenser in den besetzten Gebieten ausgesprochen werden.

Nach langen Verhandlungen zwischen Vertretern der USA, Moskaus, Israels und der PLO – und einigen israelischen Konzessionen an die Palästinenser – war zwischen den „Schirmherren“ der Nahostverhandlungen, Rußland und den USA, letzte Woche ein Streit entstanden. Denn Moskau hatte eine eigenständige Initiative verfolgt und unter anderem eine „zweite Madrider Konferenz“ vorgeschlagen. Das rief in den USA und Israel Empörung hervor. Ein russischer Antrag zur sofortigen Abstimmung der fälligen UN-Resolution wurde Ende letzter Woche von den USA blockiert.

Bei seinem gestrigen Treffen mit dem russischen Außenminister Andrej Kosyrew in Wladiwostok wollte US-Außenminister Christopher einige „Klarstellungen“ zur russischen Nahostpolitik verlangen. Kosyrew versprach sich ein „ehrliches und nützliches Gespräch“ auf der Basis einer „reif gewordenen strategischen Partnerschaft“. Gestern hieß es aus Moskau, Arafat werde am Freitag zu einem Besuch erwartet.

Anlaß zur Hoffnung auf eine Wiederaufnahme der Nahostgespräche gibt möglicherweise die Entsendung einer hochrangigen israelischen Delegation nach Tunis, die gestern zusammen mit dem US-Beauftragten für den Nahen Osten, Dennis Ross, Gespräche mit PLO-Politikern führte. Ross wollte anschließend sofort nach Jerusalem weiterreisen, wo er Peres treffen wollte. Zusammen mit PLO-Führer Abu Mazen soll dieser jetzt die Wiederaufnahme der Verhandlungen einleiten. Einer der Gründe für die Intensivierung der US-amerikanischen Versuche zur Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen Israel und der PLO war zweifellos die diplomatische Offensive Moskaus.

In Rabins Gesprächen mit Clinton wird es morgen um die Erneuerung der Verhandlungen mit allen Nachbarstaaten Israels, vor allem mit Syrien, gehen. Außerdem will Rabin wieder einmal um die Lieferung moderner amerikanischer Waffentechnologien an Israel nachsuchen. Amos Wollin/N.C.