Sanssouci
: Vorschlag

■ Der Autor als PC: Ulrich Hölzer liest in der Brotfabrik

Wenn man in 5653 Leichlingen, gleich neben Witzhelden gelegen, zur Welt gekommen ist, um bald darauf über Galghausen und Ruppelrath im Triebwagen zur Schule zu zuckeln, dann... ja dann bleibt einem als sensibles Kind praktisch gar keine Wahl, als einen gewissen Sinn fürs Zeichenhafte auszubilden: Ungünstige Lebenssemantiken wollen ja irgendwie gedeutet sein. Wenn man überdies noch Einzelgänger genug ist, sich nicht mit der Aussicht auf eine verklinkerte Doppelhaushälfte zufriedenzugeben, stehen die Chancen nicht schlecht für eine Dauerkonservierung des... nennen wir es: Leichlinger Blicks. Plötzlich ist man dann etwa Schriftsteller, lebt in Köln, sitzt am Computer und spult die Erinnerungs-MAZ zurück.

Alles ist noch da, unverwüstlich gespeichert im Hirn von Uli Hölzer: der tantenhafte Kuchen auf rheinischen Kindergeburtstagen, der Minirock der Schwester (puuuh!), das Luftgitarrespielen zu Alvin Lees „Going Home“, die Fernsehserien der sechziger und siebziger Jahre – all die (teils erotischen) Privatmythologien eben, die einem im nachhinein ein wenig peinlich sind, doch auch wieder nicht so, daß sie nicht die biographische Grundlage hergeben könnten für die diversen Geschichten des ersten Desktop-Bandes „Erzählung“. Der Autor am PC gibt sich dabei nicht damit zufrieden, hie und da ein paar scheue Gedankenrudel aufzustöbern; in Handfühlung mit der elektronischen Maus findet er sich immer auch angeschlossen an die Möglichkeiten der universellen diskreten Maschine namens Computer. Und die beschert Analogien zwischen den diversen Windows und dem Fließtext der never ending story Wirklichkeit: Up- und downgescrollt wird er, um den Blick auf eigenartige Pixel am Rande zu fixieren. Den Verdacht, hier wuchere ein Kittler-Seminarist schwer mit medientheoretischen Pfunden, kann man sich getrost sparen. Hölzer ist zu leichlingisch unideologisch, um sich in der Pose des Datendandys zu gefallen. Das Betriebsprogramm des Lebens bleibt bei ihm auf entscheidenden Ebenen inkompatibel mit der „virtuellen Realität“ des Bildschirms. Erst das generiert den buchstäblichen Mehrwert wie auch die humoristischen Interferenzen dieser durchaus bescheiden zu nennenden Literatur – frei nach der Devise: „Is was, Dos?“ Thomas Groß

Heute, 20 Uhr, Brotfabrik, Prenzlauer Promenade 3, Prenzlberg.