Abschreckung nur auf den ersten Blick

■ Bürgerkriegsflüchtlinge aus Ex-Jugoslawien müssen nun zum Ende der Stadt, können dort aber unter menschenwürdigen Bedingungen ihre Duldung beantragen

Beton, wohin das Auge blickt: so abschreckend präsentiert sich die Meldestelle für Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien in der Ferdinand- Schultze-Straße in Hohenschönhausen. Seit Montag werden dort die Duldungen für die Menschen aus dem Krisengebiet erteilt und verlängert.

Schon die Anreise in den Osten gestaltet sich schwierig. Lediglich eine Straßenbahn fährt nach Hohenschönhausen. Zwischen einer und anderthalb Stunden dauert die Anreise aus dem Zentrum. Eine zwei Meter hohe Mauer mit Wachtürmen umschließt das Gelände, auf dem früher die Stasi residierte. Dennoch: verglichen mit der bisherigen Meldestelle am Waterloo- Ufer, die selbst von Amtsleiter Michael Anger als „letzter Dreckstall“ bezeichnet wird, ist die neue Einrichtung trotz der abschreckenden Umgebung geradezu hervorragend.

Die ehemalige Anlaufstelle war erst auf anhaltenden Druck der Öffentlichkeit aufgegeben worden. Am Waterloo-Ufer herrschten katastrophale hygienische Verhältnisse und Platznot. Ganze Familien verbrachten die Nacht im Freien, um wenigstens am nächsten Morgen die Registrierung zu ergattern, und damit die Chance auf Bearbeitung des Antrages zu haben. Jeden Tag wurden Flüchtlinge abgewiesen und mußten sich erneut anstellen. Der erste Schreck über das zugige Gelände in Hohenschönhausen hält nicht lange vor. Die inzwischen 36 Mitarbeiter der Behörde versuchen die bürokratischen Formalien für die Kriegsflüchtlinge so erträglich wie möglich zum machen.

In der ersten Wartehalle, eine ehemalige Kantine mit tristem Ausblick, die auch vor dem eigentlichen Bürobeginn um halb acht schon geöffnet hat, bekommen die Flüchtlinge eine Nummer. Schon hier wird unterschieden zwischen Erstantragstellern und Aufenthältsverlängerungen. Abgewiesen werde keiner, versichert Amtsleiter Michael Anger; alle Flüchtlinge, die erscheinen, würden noch am selben Tag zum Sachbearbeiter weitergeleitet.

Wird die Nummer aufgerufen, dann führt der Weg weiter über den betonierten Hof zur eigentlichen Bearbeitungsstelle am anderen Ende des riesigen Geländes. Das soll sich ändern: Die Wartecontainer vom Waterloo-Ufer sollen bis zum Ende dieser Woche direkt vor dem Gebäude der Sachbearbeiter aufgestellt werden. Dort werden dann auch die Nummern ausgegeben.

Bis dahin aber geht es noch an zwei kontrollierenden, aber freundlichen Polizisten vorbei zu den Warteräumen, die jeweils den Sachbearbeitern zugeordnet sind. Dort werden die Antragsteller über die Lautsprecher aufgerufen. Am Tag der Eröffnung hätten die Mitarbeiter der Behörde trotz des Umzuges genau 551 Anträge relativ reibungslos bearbeitet, sagt Anger.

Der Fortschritt gegenüber dem Waterloo-Ufer ist nicht zu übersehen. Niemand muß vor der Tür im Regen stehen, es gibt geheizte Warteräume mit Toiletten. Sogar einen Kindergarten gibt es inzwischen. Zwei Frauen, die nicht vom Senat, sondern vom Bezirk Hohenschönhausen bezahlt werden, kümmern sich um den Nachwuchs der Flüchtlinge.

In der Warteschlange haben auch alte Menschen und Frauen eine Chance. Niemand kann sich vordrängeln, dank der ausgegebenen Nummern geht alles seinen korrekten bürokratischen Gang: Die ersten Flüchtlinge konnten gestern die Behörde bereits eine halbe Stunde nach Öffnung der Büros verlassen. Peter Tietze