„Tanker sind Bomben“

■ Schiffskollision im Bosporus kostete wahrscheinlich 30 Menschenleben

Istanbul (AP/dpa/taz) – Auch gestern gelang es noch nicht, den zypriotischen Tanker Nacciea zu löschen, der Sonntag nacht mit dem ebenfalls unter zypriotischer Flagge fahrenden Frachter „Ship Broker“ im Bosporus zusammengestoßen war. Der türkische Umweltminister Riza Akcali glaubt, daß der Brand noch „vier oder fünf Tage“ andauern werde.

Trotzdem seien „die langfristigen Schäden für die Umwelt gering“, sagte der Minister vor der Presse. Umweltschützer sind skeptischer. Denn noch ist unklar, wieviel Öl aus dem Wrack ausgeflossen ist. Der Tanker hatte fast 100.000 Tonnen Rohöl geladen. Die Kollision hat nach ersten, unbestätigten Meldungen nur drei von insgesamt sieben Ladekammern des Schiffes beschädigt. Aber das Feuer löste mehrere Explosionen aus, über deren Wirkung nichts bekannt ist.

Weitere Explosionen seien nicht auszuschließen, meint der Umweltminister, jeder Tanker sei „eine Bombe“. Auch auf dem Wasser brennt Öl. Aber „nur ein kleiner Ölteppich“, so die verantwortlichen Behörden, treibe auf die Ufer an der Mündung des Bosporus ins Schwarze Meer zu. Südwestwind treibt die Ruß-und Rauchwolke weiterhin von der 10-Millionen-Stadt Istanbul weg.

Fünfzehn Leichen sind bisher geborgen worden, weitere sechzehn Besatzungsmitglieder werden immer noch vermißt. Ihre Überlebenschancen sind gering, der Gouverneur der Provinz Istanbul, Hayiri Kozakcioglu, befürchtet daher, daß der Unfall über 30 Menschenleben gekostet hat.

Das türkische Außenministerium hat schon den Hauptschuldigen gefunden: die Sowjetunion, die ihr Erdöl auf Schiffen durch den Bosporus exportiert. Die türkische Regierung fordert seit langem den Bau einer Pipeline. Mit über 50.000 Schiffen pro Jahr habe der Verkehr in der Meerenge derart zugenommen, daß „jeder Öltanker eine potentielle Katastrophe darstellt“, sagte gestern Außenminister Ismet Cetin. nh