Fesseln der Freunde

■ Schwarzes Kino: „Menace Il Society“

Ist es mitfühlendes Interesse an den Lebenszusammenhängen in afro-amerikanischen Ghettos oder nur der billige Thrill einer aus der sicheren Entfernung zu betrachtenden Geisterbahn, der die Befindlichkeit der schwarzen community seit den L.A. Riots zum kassenträchtigen Film-Thema macht?

Das Docks-Kino stellt im März eine Auswahl des „black american cinema“ vor. Die Reihe endet nun mit Menace Il Society der Brüder Allen und Albert Hughes, die andere filmische Konzepte radikal in Frage stellen. Nicht Malcolm X als revolutionäres Individuum der 60er Jahre, nicht die bedingungslose Liebe, die in Zebrahead alle rassistischen Barrieren überwindet, auch die Erziehung zu selbstbestimmtem Leben in einer von Drogen und Blutfehde bestimmten Umwelt der Boyz'n the Hood, kann für die Protagonisten nicht greifen. Auch das Ghetto hat eine Vergangenheit, die wie die Gegenwart aussieht und in die Lebensgeschichten jedes einzelnen eingeschrieben ist.

Mittels Rückblenden zeigt Menace Il Society wie die Eltern von Caine, einem Durchschnittsjugendlichen aus Watts, einer der miesesten Gegenden von Los Angeles, ihr Dasein zwischen Dealen, Fixen und psychodelischer Musik der 70er fristen. Die Mutter stirbt an einer Überdosis, der Vater durch die Kugeln eines Dealers. Caine (Tyrin Turner) wird von seinen bigotten Großeltern erzogen, die an den Gott der Weißen aus dem alten Testament glauben. Seine Bezugspunkte findet er in den Verhaltensregeln seiner Posse, einer männlichen Clique, deren große Gleichgültigkeit und Langeweile meist vor der Glotze endet. Am liebsten vor einem Video-Mitschnitt des von Caine und O'Dog (Larenz Tate) verübten Überfalls auf einen Lebensmittelladen, bei dem „the craziest nigger Americas“ dem koreanischen Verkäufer das Hirn herausbläst.

„Hey, Scheiße Mann, reich mir mal das Scheißbier!“ lautet über weite Strecken der einzige erbärmliche Satz im Film. Die Low-Budget-Produktion unterläuft fortwährend das bei deutschen Hip-Hop-Fans gehegte Bild vom „guten Ghetto-Kid“: arm, schwarz, aber an jeder Straßenecke mit Worten jonglierend. Hip-Hop als Ausdruck von Bewußtsein hat kaum Bedeutung im trostlosen Alltag der Posse.

Allein Caines Freundin (Jada Pinckett) vermag ihn manchmal aus der Stumpfheit zu reißen. Doch auch als er gerade aus dem Knast entlassen, angeschossen und selbst zum Killer wird, mag er sich nur widerwillig aus dem Codes seiner Clique befreien - trotz der Aussicht ins idyllische Kansas zu ziehen.

Volker Marquardt

Docks, 20 & 22.15 Uhr, bis 31.3.