Otto-TV oder Vogel-Glotze?

■ HAM-Vorstand entscheidet über Lokalfernsehfrequenz / Von Uli Exner

Wollten Sie das nicht auch immer schon mal im Fernsehen sehen? Live und in Farbe? Die Hauptversammlung Hamburger Kleingärtner, den Blechbüchsenstau im Elbtunnel? Den symbolischen Knopfdruck von Senator Vahrenholt bei der Inbetriebnahme des Kleinkraftwerks Wellingsbüttel? Die zweite Mannschaft des VFL Pinneberg gegen Holstein Quickborn, eine Bürgerschaftsdebatte, beides ungeschnitten und in voller Länge?

Keine Bange, zumindest einige dieser TV-Wünsche werden bald in Erfüllung gehen. Heute abend will der Vorstand der Hamburger Anstalt für neue Medien (HAM) entscheiden, welches Unternehmen voraussichtlich ab Herbst dieses Jahres das erste Hamburger Lokalfernsehen ausstrahlen darf.

Von den ehemals 13 Bewerbern dürften dabei nur zwei Anbietergemeinschaften in die engere Wahl kommen: Hamburg 1 und live TV, die als einzige Anfang der Woche zu einem dritten Anhörungstermin geladen waren. Bei allen anderen, so ein HAM-Vorstand zur taz, hatte es keinen „Fragebedarf“ mehr gegeben. Hinter den beiden Top-Favoriten verbergen sich in Hamburg durchaus bekannte Unternehmen.

Hochkarätig besetzt: Hamburg 1; dessen Anteile halten zu je 24 Prozent der Springer Verlag, OK-Radio-Chef Frank Otto, der amerikanische Mediengigant Time Warner und die Deutsche Fernsehagentur, hinter der sich wiederum die Düsseldorfer Rheinische Post verbirgt. Zu je zwei Prozent beteiligt sind Ex-Sat1-Chef Werner Klatten und OK-Radio-Geschäftsführer Ingo Borsum. Finanziell bestens ausgestattet: live TV, das von Hamburgs Immobilienmogul und Ex-FDP-Chef Robert Vogel sowie den Medienunternehmen VAP (Hamburg) und CME (Berlin beteiligt) ins Rennen geschickt wurde.

Beide Bewerber haben der HAM Programmkonzepte vorgelegt, die einen Mix von Spielfilmen und Lokalen vorsehen. Beide wollen mit mobilen Reporterteams durch die Stadt ziehen und so das passende TV-Umfeld für lokale Werbekunden zu schaffen. Beide haben sich schon einen Partner gesucht, der die zur Auffüllung des angestrebten Vollprogramms nötigen B-Movies zur Verfügung stellt. Vogel bedient sich dabei einer amerikanischen Spielfilmagentur, Otto und Co. haben eine Vereinbarung mit der luxemburgischen CLT - ihr gehören unter anderem 46,1 Prozent der RTL-Anteilsscheine - in der Tasche. Wer wird's? Der HAM-Vorstand hüllt sich auftragsgemäß in Schweigen. Die taz spekuliert: Für live TV spricht, daß Vogel nicht vorhat, bei seinem Einstieg ins Mediengeschäft zu kleckern: „Geld ist genug da.“ Rund 30 Millionen Mark sollen nach taz-Informationen für die Anfangsinvestitionen bereitstehen. Hamburg 1 will mit der Hälfte auskommen.

Für den Otto/Springer-Sender spricht dagegen die größere Dosis Vitamin B. Der Einfluß des Springer-Konzerns in der Hansestadt muß an dieser Stelle nicht näher erläutert werden. Frank Otto seinerseits gilt in der Branche als Hätschelkind der HAM, weil er dem einst gefeierten Zwei-Säulen-Modell für den Hamburger Privatfunk durch seine Investitionen den völligen Zusammenbruch erspart hat.