Vergiß mein nicht

■ Adieu Leverkusen, der Traum von internationalen Meriten ist ausgeträumt, dank eines 4:4 (1:0) gegen Lissabon

Als der Pulsschlag endlich die Normalfrequenz erreicht hatte, war der Trainer auch wieder in der Lage zu sprechen. „Wir werden“, frohlockte Antonio Oliveira, Trainer von Benfica Lissabon, „diesen Abend in goldenem Andenken bewahren.“ Nur einige Türen weiter schien die Fußballwelt zusammengebrochen, trat Dragoslav Stepanovic, Coach von Bayer Leverkusen und bislang bekannt als Herr des dauerhaften Frohsinns, vor sein Volk und stammelte: „Es ist furchtbar bitter. Ich bin sehr traurig.“ Das Ende einer durchlebten Fußballnacht.

Adieu Leverkusen, der Traum von internationalen Meriten ist ausgeträumt. 4:4 (1:0) endete am Dienstag das UEFA-Cup-Viertelfinal-Rückspiel gegen Lissabon vor 21.000 Augenzeugen im Ulrich-Haberland-Stadion. Und verdrängen werden die Leverkusener diese Pleite nicht so schnell. Zu heftig war die Dramaturgie des sportlichen Unfalls. Und wenn mensch Fußballdarbietungen kategorisieren möchte, dann gehört diese Partie wohl in die Sparte „Spiele, die mensch niemals mehr vergißt“. In ihr werden Katastrophen unmittelbar neben Triumphen abgespeichert. So wie die Erinnerung der Leverkusener an das Jahr 1988, als ihr Team gegen Espanol Barcelona ein 0:3 aus dem Hinspiel egalisiert hatte und schließlich im Elfmeterschießen den UEFA-Cup gewann.

Alles schien auch beim jüngsten Europapokal-Auftritt für Leverkusen zu laufen. 2:0 führten die Gastgeber nach Treffern von Kirsten (24.) und Schuster (58.), ein beruhigender Vorsprung eingedenk des 1:1 im Hinspiel. Aber die nächsten zwei Minuten ließen den Gedanken der Anhänger keine Chance, um mögliche Halbfinal- Gegner zu kreisen, denn Benfica glich durch Abel Xavier und Joao Pinto aus. Leverkusen draußen, und das „Geschwür“ (Manager Calmund), so etwas wie die Angst, zu gewinnen, schien wieder mal virulent zu werden. Trainer Stepanovic formulierte es pragmatischer: „Unmittelbar nach dem 2:0 waren wir nicht in der Lage, das Spiel weiter organisiert durchzuziehen.“ So nämlich, wie es ihnen nach anfänglichen Schwierigkeiten mit der kompakten Staffelung und der auf einer Linie spielenden Abwehr Benficas in der ersten Hälfte gelungen war, als ein Tribünengast angesichts des hohen Tempos und der besseren Chancen auf Bayer- Seite beeindruckt staunte: „Donnerwetter, Donnerwetter.“

Dieser Meinung war der Mann auch nach dem Ausgleich, und er schien immer noch voll der Hoffnung. Aber dann fiel das 2:3 durch Kulkov (78.), und Leverkusen blieben nur noch zwölf Minuten für zwei Tore. Kommentarlos stand er auf und verschwand. Was für ein Fehler! Bayer ging durch Tore von Kirsten (80.) und Pavel Hapal (82.) in Führung – Halbfinale! Allein Stepanovic hatte da wohl bereits gespürt, was nur drei Minuten später zur Gewißheit werden sollte: „Ich hatte den Eindruck, egal ob 3:4, 4:5 oder 5:6, Benfica hätte das nötige Tor immer noch nachlegen können.“ Wohl gesprochen, Stepi. Kulkow glich aus zum 4:4 (86.) – Leverkusen war raus.

Während Stepanovic und Benfica-Kollege Oliveira auf der Pressekonferenz von einem großen Spiel sprachen, schlürften die Leverkusener Spieler platt und unwillig durch Kameras, Mikrophone und Notizblöcke. Ulf Kirsten sprach resigniert von „eigener Dummheit“. Andreas Thom, der versuchte, durch eingestreutes Husten seiner Genervtheit und Enttäuschung Ausdruck zu verleihen, entfuhr lediglich: „Das ist bitter.“ Und der im Umgang mit großen Spielen und Medienrummel vertraute Bernd Schuster wimmelte alle Frager unwirsch ab und ging einfach raus. lötz/gpf

Bayer Leverkusen: Heinen - Lupescu - Wörns, Happe - Becker (66. Fischer), Foda, Schuster, Hapal, Tolkmitt (66. Sergio) - Thom, Kirsten

Benfica Lissabon: Neno - Abel Xavier, William, Helder, Schwarz - Paneira, Kulkow, Rui Costa, Isaias - Joao Pinto, Juran

Zuschauer: 21.000 (ausverkauft); Tore: 1:0 Kirsten (24.), 2:0 Schuster (58.), 2:1 Abel Xavier (59.), 2:2 Joao Pinto (60.), 2:3 Kulkow (78.), 3:3 Kirsten (80.), 4:3 Hapal (82.), 4:4 Kulkow (86.)