SPD-Chefs geben Gas

■ Schröder will Lebensqualität ohne Tempolimit

Berlin (taz) – Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) ist schnell und entscheidungsfreudig. Jetzt hat er verkündet, daß das generelle Tempolimit, für das sich seine Partei seit zehn Jahren einsetzt, überflüssig ist. Vergessen die Beschlußlage der Partei, vergessen die Vorstöße der SPD im Bundestag und Bundesrat, die damit begründet wurden, daß „Autobahnunfälle wegen der hohen Geschwindigkeiten besonders schwere Folgen haben“. 1991 etwa meinte die SPD, daß die Zahl der Unfälle auf Autobahnen durch ein allgemeines Tempolimit um zehn Prozent abnehmen werde. In der Schweiz würden mit Tempolimits vierzig Prozent weniger Menschen auf den Autobahnen getötet und schwer verletzt. Und gerade erst forderte die Bundestagsfraktion wegen der hohen Abgasemissionen und der Unfälle einstimmig ein generelles Tempolimit.

Schröder tritt trotzdem aufs Gaspedal. SPD-Parteisprecherin Dagmar Wiebusch bestätigt, daß es in der Partei konkrete Überlegungen gibt, vom generellen Tempolimit Abschied zu nehmen. Aus der Bundestagsfraktion hieß es, am vergangenen Sonntag sei in der Programmkommission für die Bundestagswahl der Abschied vom generellen Tempolimit gefordert worden. Auch Parteichef Rudolf Scharping sei gegen ein generelles Tempolimit gewesen.

Die Befürworter von freier Fahrt für freie Bürger argumentieren, ein generelles Tempolimit sei nicht mehr zeitgemäß. Mit neuen Verkehrsleitsystemen könne man Tempolimits auch nur dann verhängen, wenn es absolut nötig sei. Der umweltpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Müller, hingegen findet das Vorhaben „wenig durchdacht. Damit geben wir Teile unserer Identität auf.“

Auch in Hannover fassen sich etliche Sozis an den Kopf. War es doch die Schrödersche Landesregierung, die im Bundesrat 1992 die Einführung eines generellen Tempolimits beantragt hatte. Die Sprecherin von Umweltministerin Monika Griefahn jedenfalls erklärte, sie halte an dem Kabinettsbeschluß für ein generelles Tempolimit fest. Über alles andere müsse man sich in der Partei auseinandersetzen. H.-J. Tenhagen