Filmriß in Wolfen: Letzte Gnadenfrist für Orwo

■ Treuhand droht mit Abwicklung / Landesregierung bietet Investitionshilfe an

Magdeburg (taz) – Der sonst gern als besonders bedächtig dargestellte Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Christoph Bergner, vergaß alle Zurückhaltung. Das Magdeburger Kabinett werde eine Liquidierung der Orwo-Filmfabrik Wolfen niemals hinnehmen und wolle sich keinesfalls mit der Überführung des Unternehmens ins Treuhanddirektorat Abwicklung abfinden, verkündete er am Dienstag abend.

Damit war Bergner ein wenig vorschnell aus der Deckung geprescht. Dennoch ist die Situation ernst genug. Die Treuhand hat dem Schweizer Unternehmer Marin Hauri eine letzte Frist von zwei Wochen gesetzt, das auseinandergebrochene Investorenkonsortium wieder zu stabilisieren und sich verbindlich zum Übernahmekonzept zu äußern. Komme allerdings in dieser Zeit keine Einigung zustande, werde die Orwo-Filmfabrik Wolfen endgültig abgewickelt.

Bergner forderte von der Treuhand weitere Vehandlungen über die Zukunft der Filmfabrik. Vom Fortbestand des Unternehmens hängen rund 860 Arbeitsplätze ab. Das Übernahmekonzept der Hauri-Gruppe sah die Übernahme von 750 Mitarbeitern vor, weitere 100 sollten mit einem eigenständigen Forschungs- und Entwicklungsbetrieb ausgegründet werden. „Aber das sind ja noch längst nicht alle Arbeitsplätze, die von Orwo abhängen“, protestiert der Wolfener Landtagsabgeordnete Uwe Schulze (CDU). „Die Treuhand hat schon in den vergangenen Jahren aus der Filmfabrik ausgeründet, was sich überhaupt ausgründen ließ.“ Diese Betriebe, die sich auf Orwo als Abnehmer spezialisiert hatten, beschäftigen derzeit rund 1.500 Arbeitnehmer. Und letztlich klappte die Privatisierung des betriebseigenen Kraftwerks an die Mitteldeutsche Energieversorgung AG (Meag) auch nur, weil die Filmfabrik als fester Kunde zugesichert worden ist.

Zweimal schon stand die Orwo- Filmfabrik vor dem Ende. Die Treuhandgutachter halten das Unternehmen schon seit längerem für nicht sanierungsfähig. Die Landesregierung möchte den Betrieb jedoch als industriellen Kern des Chemiedreiecks erhalten wissen und würde dafür auch tief in die Landesschatulle greifen, kündigte Ministerpräsident Bergner an. Womöglich zu spät: Die Gnadenfrist von zwei Wochen ist offenbar das allerletzte Wort der Treuhand. Eberhard Löblich