Der Fisch stinkt von der Mitte her

■ Nach der Einigung mit Norwegen wächst in der EU die Angst vor einer deutschen Dominanz

Brüssel (taz) – Zwei Wochen nach dem erfolgreichen Abschluß der Gespräche mit Schweden, Finnland und Österreich sitzt auch Norwegen wieder im selben Vorzimmer zur Europäischen Union. Gestern morgen einigten sich die 12 Außenminister der Europäischen Union und die norwegische Verhandlungsdelegation auf einen Kompromiß bei den Fischfangquoten. Bevor das Europaparlament über die Aufnahme der vier Kandidaten entscheiden kann, muß aber noch innerhalb der EU die Frage der künftigen Ausgestaltung des Vetorechts im Ministerrat geklärt werden. Großbritannien und Spanien sperren sich gegen eine Anpassung der Stimmenzahl, die nach der Erweiterung im Ministerrat nötig wäre. Beide Länder fürchten, ansonsten häufiger als bisher überstimmt zu werden. Die Gespräche waren gestern so aussichtslos festgefahren, daß sie auf nächsten Dienstag vertagt wurden.

Der Abschluß der Beitrittsverhandlungen ist quer durch Europa positiv aufgenommen worden, hat aber auch vereinzelt alte Ängste vor einem starken Deutschland wiederbelebt. Vor allem Frankreich, aber auch den Niederlanden dämmert die Erkenntnis, daß sich durch die Erweiterung der Europäischen Union von 12 auf 16 Mitglieder auch die Position Deutschlands in Europa verändern wird. Während bisher die Erweiterungsverhandlungen in den meisten EU-Ländern kaum richtig wahrgenommen wurden, machte sich in den letzten Tagen zunehmend leichtes Murren bemerkbar. Ein hoher französischer Diplomat beschwerte sich vor ausgewählten Bonner Journalisten über die mangelnde Klarheit der deutschen Außenpolitik und den ruppigen Umgangston deutscher Politiker mit ihren EU-Partnern. Deutschland müsse sich wieder mehr darum bemühen, von den Nachbarn verstanden zu werden, so die diplomatische Forderung.

Zu den Befürchtungen vor einer „Germanisierung“ der Europäischen Union, wie sie in Brüssel immer häufiger zu hören sind, haben auch die fröhlichen Bemerkungen von Kohl und Kinkel beigetragen, die EU werde durch die Norderweiterung endlich „ausbalanciert“ und weniger „südlastig“ sein als bisher. Solche Hinweise haben nicht nur in Spanien und Portugal das Gefühl verstärkt, an den Rand der Union gedrängt zu werden, sondern auch in Paris den Blick darauf gelenkt, daß Frankreich an Einfluß verlieren wird.

Bereits durch die aktuelle Ausdehnung nach Norden rückt die Bundesrepublik geographisch wie politisch stärker in die Mitte der Union, ein Trend, der sich durch die wohl bald beginnenden Gespräche um eine Erweiterung der Europäischen Union nach Osten noch verstärken wird. Polen und Ungarn haben angekündigt, noch im April offiziell eine Aufnahme in die Europäische Union zu beantragen. Doch bis jetzt ist auch die Norderweiterung noch nicht über die Bühne. Die norwegische Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland hat die Norweger aufgerufen, beim anstehenden Referendum für den EU-Beitritt zu stimmen. Offen ist noch, wie sich der Fischkompromiß auf die bisher eher euro-skeptische nordische Stimmungslage auswirkt.

Die Spanier erreichten zusätzliche Fangrechte für spanische und portugiesische Fischer in Höhe von 12.600 Tonnen. Davon kommt aber nur knapp ein Drittel aus norwegischen Küstengewässern. Der größte Brocken mit 8.000 Tonnen soll mit EU-Geldern an der russischen Meeresküste zugekauft werden. Alois Berger