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Durchs DröhnlandUh, uh, die Wanne ist voll

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der Woche

Mega Kronkel spielen einen verschnüsselten Hardcore, der manchmal aber auch in die epische Breite geht. Wie ein Hefeteig, in dessen Inneren es eifrig rumort, während er gemütlich immer größer wird und ab und an eine Blase wirft. Das Gitarrenspiel des holländischen Trios mag manchmal etwas hektisch wirken und zu nah an der Gesangslinie konzipiert sein, aber wenn sich diese Einheit in ein schwirrendes Flimmern auflöst, das genauso schnell auch wieder auf einen hektischen Punkt gebracht wird, ist alles bestens. Mit diesem steten Wechsel zwischen Kleinkinder- Hardcore und Breitwand-Gitarrenrock werden Mega Kronkel die hübsche kontinentalen Alternative zu Altvätern wie den nun folgenden...

Heute, 21 Uhr im Huxley's Junior, Hasenheide 108–114, Neukölln.

Und hier ist sie: die verkannteste Hardcore-Band aller Zeiten. Wenn NoMeansNo das Recht hatten, halbwegs große Hallen in Europa zu beschallen, dann haben das Victims Family schon lange. Vor allem auch, weil sie es auf ihrer letzten Platte „Headache Remedy“ endlich geschafft haben, das wild ziselierende Gitarrengewichse, die ständigen Rhythmuswechsel und all den anderen kranken Schwachsinn zwar beizubehalten, aber so, daß man es hören kann, ohne Strichlisten über die Breaks führen zu wollen. Seit 1986 beweist das Trio aus San Francisco, daß von der amerikanischen Westküste nicht nur Metal und Geradeaus-Punk (Bad Religion und der Rest) kommen kann, sondern eben auch Menschen, die ein gutes Instrumental noch zu schätzen wissen, denen prinzipiell nichts heilig ist und die spinnert genug sind, ihre beiden Gitarristen (kein Bass) Sachen spielen zu lassen, bei denen jeder ehrliche Punkrocker rot werden müßte. Aber genau dafür hat Ralph Spight eine ganz einfache Erklärung: Beim Komponieren trinkt er zuviel Kaffee, und außerdem hat er irgendwann mit dem Rauchen aufgehört. Da das aber schon länger her ist, gelingen neuerdings auch halbwegs ruhige, schöne Rocksongs, die ihre Hardcorewurzeln aber Gott sei Dank nicht verleugnen können. Und vor allem waren sie schon immer eine exorbitant gute Liveband.

Morgen, 19.3., 22 Uhr im Ex im Mehringhof, Gneisenaustraße 2a, Kreuzberg.

Nun wollen wir uns einer in dieser Rubrik ansonsten gnadenlos vernachlässigten Musike zuwenden. Es schien, als wäre das Liedermachertum ausgestorben. Vielleicht einfach deshalb, weil inzwischen eine Generation am Werke ist, die höchstselbst in ihrer Jugend in evangelischen Jugendheimen schwer sozialkritische Knittelverse zur Akustischen sang. Torsten Riemann konnte das nicht passieren, der kommt aus dem Ostteil Berlins. Da hat das Liedermachersyndrom schon aufgrund technischer Einfuhrbeschränkungen eine viel tiefere Tradition. Aber im Gegensatz zu Aushängeschildern wie Biermann oder Krawczyk bemüht sich Riemann nicht um einen möglichst avantgardistischen Ausdruck – weder im musikalischen noch im textlichen. Bei Riemann reimt sich, was sich immer nur unter Bauchschmerzen zusammenfügen möchte („Hab' zuviel Rauch in der Kehle, zuviel Dreck in der Seele“), und die Akustische bosselt in altgewohnten Harmonien – Lagerfeuer rules o.k. Nichtsdestotrotz hat Riemann Charme, und seine glockenhelle Stimme paßt irgendwie auch ganz gut zu seinen manchmal etwas ins schlagerhafte lappenden Zeilen: „Laßt uns leben lebenslänglich.“ Es lebe der Reimzwang.

Morgen, 21 Uhr im Theater an der Schönhauser Allee 62, am 27.3. um 20.30 Uhr in der Talentbude, Kremmener Straße 9–10, beides Prenzlauer Berg.

Nun gut, die Bates aus dem hübschen kleinen Städtchen Eschwege haben nun auch ihren Industrievertrag. Jetzt verdienen sie mehr Geld für immer noch dieselbe langweilige Geklaut-ist-immer-gut-Musik, die uns weismachen will, daß Mitsingenkönnen allein schon glücklich macht. Das könnte mir ja auch egal sein. Aber leider haben sie sich in ihrem Coverversion-Wahn nach Neil Young, den Sex Pistols, Ennio Morricone u.a. ausgerechnet an Jonathan Richman vergriffen. Und das hat der gute JoJo nun wirklich nicht verdient, und das kann ich nicht verzeihen. Aber wem so was gefällt, kann ja seine Badewanne mitbringen. Beim Wassereinlassen kann man dann Slick vom Prenzlauer Berg lauschen. Mich erinnern sie an The Fall, und das ist beileibe ja nicht die schlechteste Assoziation: eben rüde, öfter mehr ein Sprechen als ein Singen, allerdings weniger monoton und ohne Verzicht auf eine Melodie – ausbaufähig.

Am 22.3., 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg.

Wesentlich weniger Schwierigkeiten mit wenig bis gar kein Anspruch hatten schon immer unsere nördlichen Nachbarn. Die besten offensichtlichen Genre- Kopien, die sich in schamloser Dreistigkeit über Authentizität und ernsthafte Herangehensweise hinwegsetzten, kamen oft aus Skandinavien. Mit den Wannadies können wir das nächste Exemplar präsentieren. Die sind sich doch tatsächlich nicht zu blöde, die 60er nachzuäffen. Ausgerechnet heutzutage, wo einem die Schlaghosen hinterhergeschmissen werden. Das Schöne an den Schweden aber ist, daß aus jedem Ton ein verschämtes Wir- meinen-es-doch-nicht-so entgegenschwitzt. So süß darf Pop nicht mehr sein, das klitzkleine bißchen Psychedelia kann nicht mal einen Weihrauch-Trip nachvollziehbar machen, und wer überhaupt braucht so was noch? Nun, niemand, aber auch sechs SchwedInnen dürfen natürlich Musik machen. Und dabei (das nicht zu knapp übrigens) Erfolg haben. Ihr könnt das Wasser gleich in der Badewanne drinlassen (ist auch ökologischer).

Am 23.3., 21 Uhr im Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg.

Zuerst einmal sind Seguridad Social eine schlichte Rockband, die aus Spanien kommt (was schon mal außergewöhnlich ist) und die spanische Sprache benutzt (was hübsche Verzerrungen im Rock ergibt). Damit haben sie es schon auf Platz eins der spanischen Charts geschafft. Daß sich ihr Sound für grungegeschädigte Ohren manchmal arg schmalbrüstig anhört, machen sie mit netten perkussiven Spielereien wieder wett, die ihrem Mainstream ungewohnte Tanzbarkeit abringen. Nicht fehlen darf natürlich auch ein gerüttelt Maß an übertriebenem Sentiment, ein bißchen Rap, ein bißchen Dub, und was die Palette sonst noch hergibt. Valencia wird demnächst vielleicht nicht der Nabel der Rockwelt, aber Easy Listening war schon weitaus schlimmer. Alles schön und gut, aber was soll man von einer spanischen Rockband halten, die Pink Floyds „Wish You Were Here“ covert, als wäre es ein Heiligtum?

Am 23.3., 20.30 Uhr im Loft. Thomas Winkler

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