Osttangente geht vor Umweltgefahren

Laut Umweltuntersuchung gefährdet die acht Kilometer lange Straße knapp ein Zehntel des Berliner Trinkwassers / Doch der Senat will auf das fragwürdige Projekt nicht verzichten  ■ Von Dirk Wildt

Die geplante Osttangente – eine vierspurige Straßenverbindung von Mahrzahn über Lichtenberg nach Köpenick – gefährdet knapp ein Zehntel der Berliner Trinkwasserversorgung. So lautet das Ergebnis einer Umweltverträglichkeitsstudie vom 28. Februar dieses Jahres, die die Verkehrsverwaltung in Auftrag gegeben hatte. Bei umweltbelastenden Auswirkungen schlagen Gutachter in der Regel Veränderungen am Projekt vor. Doch im Fall der acht Kilometer langen Trasse, die die Bundesstraße 1/5 entlang einer Eisenbahntrasse mit dem Adlergestell (B 96) verbinden soll, sehen die Experten diesmal keinen Ausweg. „Hier kann keine konfliktarme Variante empfohlen werden“, heißt es in Studie zur „tangentialen Verbindung Ost“, die der taz vorliegt.

Die Trasse, auf der mit stündlich bis zu 6.000 Autos gerechnet wird, würde die Brunnen des Wasserwerks Wuhlheide queren. Das Wasserwerk fördert neun Prozent des Berliner Trinkwassers. Beim Versuch, die umweltverträglichste Variante zu ermitteln, „stellt sich der äußerst sensible Bereich der Brunnengalerie als unüberbrückbarer Zwangspunkt heraus“ – mit anderen Worten: Weil in der dortigen Wasserschutzzone I einzelne Brunnen nicht abgeschaltet werden können, darf die Tangente nicht gebaut werden – es sei denn, entsprechende Gesetze würden aufgeweicht.

Der Senat hält an dem Projekt fest. Dies unterstrich Umwelt- und Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer (CDU) diese Woche nach der Sitzung des Senats, auf der der Flächennutzungsplan beschlossen wurde. Der Plan, mit dem für die kommenden 20 Jahre festgelegt wird, wo neue Wohnungen und Bürobauten hinkommen, Straßen – eben auch die Osttangente – und Erholungsflächen geschaffen werden, ist derzeit Gegenstand eines Sonderausschusses im Abgeordnetenhaus.

Die dortigen Parteien sollen das Werk bis zur Sommerpause verabschieden und damit Gesetz werden lassen. Doch CDU und SPD wollen keine Zeitverzögerungen verursachen, und deshalb schließen die Oppositionsparteien aus, daß sie bedeutende Änderungen wie etwa einen anderen Verlauf der Osttangente durchsetzen werden.

Die Befürworter der Trasse argumentieren – wie immer bei solchen Projekten – mit der Verkehrsentlastung anderer Bereiche. In diesem Fall soll die Osttangente angeblich den Autoverkehr in der Köpenicker Altstadt verringern. Der Eingriff in die Stadtstruktur, meint Horst Sauer von der Umweltverwaltung, sei mit der Osttangente weniger stark als bei anderen Trassenführungen. Er geht davon aus, daß später einzelne Brunnen abgeschaltet werden könnten. Auch der Sprecher der Verkehrsverwaltung, Tomas Spahn, meint, daß es zur Osttangente keine Alternative gebe. Doch gegenüber der taz muß Senator Hassemer einräumen, daß außer der Osttangente keine anderen Trassenführungen auf ihre Umweltverträglichkeit untersucht worden sind.

Verkehrsexperte Manfred Garben, bekannt durch die Projektleitung der stadtweiten Untersuchungen zur Luftverschmutzung und Lärmbelastung durch den Autoverkehr, meint dagegen, daß auf die Osttangente verzichtet werden kann. Er befürchtet sogar, daß die Osttangente, die die Verbindung vom Autobahnzubringer im Südosten (Flughafen Schönefeld) bis zum Autobahnring im Norden vervollständigen würde, „vorrangig“ zusätzlichen „weiträumigen Durchgangsverkehr“ anziehen würde. Er kritisiert das Straßenbauvorhaben auch deshalb, weil Alternativen wie etwa die vorgesehene Verlängerung des Stadtautobahnrings als Stadtstraße bei Verkehrsrechnungen nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen, formuliert seine Ablehnung so: „Ich bin extrem verwundert, daß Verkehrssenator Haase Umweltsenator Hassemer ökologisch überholen kann.“ Dirk Wildt