Was ist eigentlich so Thema? Von Claudia Kohlhase

Was ist eigentlich so Thema? fragte sich neulich beim Konferieren eine kleine Kollegenrunde, als die Themen ausgingen. Also was uns eigentlich alle wirklich umtreibt, stellte eine Kollegin in den Raum. Also was die Leute wirklich bewegt, ergänzte die Kollegin zur Rechten. Also worüber man so redet, meinte der Kollege von links. Also auch wir? fragte ich. Und wo? fragte jemand hinter mir. Wie: wo, sagte der vor mir, überall natürlich, auf der Straße, in der Kneipe, beim Schlachter. Metzger, sagte ich, Metzger, kein Mensch sagt heute mehr Schlachter, davon abgesehen: Geht hier eigentlich noch jemand zum Metzger? Aber finde mal unter modernen jungen Leuten jemand, der noch zum Metzger geht; und sei's deswegen, um innerlich Gespräche aufzuschnappen. Heute geht man zum Bioladen mit angeschlossenem Schweinekoben als Mahnmal. Na, da ham wir doch was, was die Leute umtreiben könnte, sagte die eine Kollegin, aber komischerweise hat sich niemand gemeldet, um freiwillig im Bioladen Gespräche zu recherchieren. Es muß irgendwie noch banaler sein, mit normalen Menschen, sagte wieder der neben mir, irgendwas, was wirklich alle angeht, also worüber sich etwa Intendanten mit teilzeitarbeitenden Architektinnen oder Regierungschefinnen mit Hobbyornithologen unterhalten können. Die Krokusse etwa blühen, sagte ich. Komme mir jetzt bitte keiner mit der Pflegeversicherung, das ist doch abgefrühstückt, meinte unsere obere Kollegin. Oder mit Rex Gildo, wandte der Schleimi ein, dabei hatte niemand auch nur entfernt an Rex Gildo gedacht. Kann nicht einfach mal einer Kaffee machen, nölte die Assistentin, und zwar mit der Aromaporen-Filtertüte? Können wir nicht mal was über Aromaporen machen, fragte ich, bloß wollte niemand, außer mir vielleicht, aber mir fiel nichts ein. Wie wär's mit Frühjahrsmüdigkeit in Verbindung mit Pollen, Insekten, Blumenzwiebeln und Selbstmord, brachte einer ein. Genau, meinte wieder jemand anderes, man könnte einem Lebensmüden dabei zusehen, wie er ins schwarze Loch fällt, so was interessiert die Leute und ist auch mit Handlung. Zu unlustig, befand die Mehrheit. Wie wär's denn mit einem Heimwerker, wie er in seine eigene Grube fällt, rief gerührt über seine eigene Häme der hinter mir. Aber auch dieses Thema fand keine Gnade, obwohl es im Grunde ein astreines Thema ist. Blusen, wie wär's mit Blusen, sagte ich, die Blusen kommen wieder. Blusen, Blusen, jaulten auf einmal diverse Kolleginnen, trägt hier etwa jemand Blusen oder ist davon umgetrieben? Also das kann doch nicht so schwer sein, rief endlich die sitzungsleitende Kollegin, es muß doch ein Thema geben, was grade irgendwie alle beschäftigt – worüber reden wir denn so, wenn wir zu Hause oder in der Kneipe sind? Mein Gott, worüber redeten wir denn so? Alle dachten fieberhaft nach, und ich für mein Teil dachte intensiv an meinen letzten Kneipenabend, aber viel kam nicht dabei raus. Ostern, krähte auf einmal einer, erschüttert von der Thematik seines Themas, natürlich! Ostern! Eier!! Hasen!!! Einerseits freilaufend, andererseits aussterbend! Und mit Kükenservietten fürs Heitere. Beifall brandete auf. – Bloß: Wer wollte so was schreiben? Das mit dem Aussterben wäre ja noch gegangen, aber die Kükenservietten waren denn doch zu dick.