: Karlsruhe betritt das Reich der Moneten
■ Nach dem 1:0 im UEFA-Cup gegen Porto zählt der KSC die Millionen
Berlin (taz) – Im Epizentrum des sportlichen Ruhms hockten die Verwalter des Geldes und glotzten schweigsam Löcher in die Luft. Nachdenkliche Millionarios hüstelten gebremste Freude durch das gepflegte Ambiente, Ausflippen war nicht. In der Welt der Moneten ist Beschaulichkeit verordnet. Das ist auch beim Bundesligaverein Karlsruher SC, dem Darling der Fußballnation, nicht anders, der am Mittwoch abend die Sphären der Fußballmächtigen betrat.
Bloß gut, daß ein Stockwerk tiefer der Jubelsturm kein Ende nahm. 1:0 (1:0) haben die Karlsruher Balltreter von Vorturner Winfried Schäfers Gnaden im UEFA- Pokal gegen Boavista Porto gewonnen. Nun sind sie im Halbfinale und mithin in der Beletage der Zunft. Spieler Slawen Bilic mochte die hohe Weihe gar nicht fassen. „Bei mir zu Hause“, frohlockte der enthemmte Kroate, „hätten wir jetzt zehn Tage Urlaub zum Feiern. Am Samstag gegen Schalcke würde man einfach die zweite Mannschaft spielen lassen“.
Das wäre lustig. Und vielleicht würde die Reserve nicht viel schlechter ausschauen als die bevorzugte KSC-Kickerriege gegen Ende der Partie gegen die Portugiesen. Bange Augenblicke hatten die Karlsruher zu überstehen und mit ihnen die sangesfrohen 31.000 Zuschauer im Stadion. Aller Körpersäfte verlustig gegangen in den beschwerlichen 70 Spielminuten zuvor, wurden die Gastgeber ganz beachtlich von den Gästen, denen der malade KSC-Maulheld Manfred Bender allenfalls Zweitliganiveau beimessen wollte, auseinandergenommen. Der Fünf-Millionen-Schuß von Wolfgang Rolff zum 1:0 (soviel dürfte den Karlsruhern das Erreichen des Halbfinales gebracht haben) in der 35. Minute nach trefflicher Vorarbeit der Kollegen Kirijakow und Bonan drohte seinen Marktwert zu verlieren. Eine Ecke der Portugiesen klatschte Torwächter Kahn, extra fitgespritzt für den bunten badischen Abend im Wildpark, nur mit Mühe über das Quergebälk (67.). Gegen den Kopfball von Bambo in der Schlußminute wäre er machtlos gewesen. Allein das Sportgerät senkte sich neben das Tor.
Aus, Ende, Jubelsturm. Der KSC logiert im Rampenlicht der Europapokal-Szene, und Trainer Schäfer gerierte sich einfach baff: „Ich kann nach so einem Erfolg nichts Negatives sagen, außer vielleicht, daß die Sonne nicht geschienen hat.“ Daß auch den Vereinsoberen just im Moment des Triumphs die Sprechfähigkeit abhanden kam, mag daran gelegen haben, daß man sie zuvor doch arg gepiesackt hatte. Nowotny überlistete die wenig durchdachte Abseitsfalle Portos und steuerte allein dem Ziel zu, ehe ihm Bombo rüde ins Gebein segelte und den Sturmlauf brachial unterband (23.). Vorbei die Gelegenheit. Auch Schmitt war kein Glück beschieden bei seinem Versuch aus kürzester Distanz (55.). Selbst Rolff, der Routinier, der zu Saisonende zum 1. FC Köln wechseln wird, zeigte, eingedenk der Bedeutung des Augenblicks, Nerven und vergab freistehend die Chance zum vorentscheidenden 2:0.
Einerlei. Ist ja alles gutgegangen. Und am späten Abend kreisten auch schon wieder Gedanken monetärer Natur durch die Jubelnacht: „Wir dürfen nie an die Millionen denken“, mimte Schäfer den Apokalyptiker, „denn das ist der Untergang des Fußballs.“ Ja ja, Winnie, treue Kickerseele, der Geist ist willig, wenn das Portemonnaie platzt. Gerhard Pfeil
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