■ Tandlers Rücktritt wird nicht der letzte sein
: Wenn der Sumpf zum Moor wird

Der letzte knipst das Licht aus. Nach Streibl, Gauweiler und wie sie alle heißen hat es gestern Gerold Tandler, seines Zeichens CSU-Vize, erwischt. Der Sumpf, in dem die CSU seit Jahrzehnten fröhlich Schlammbäder genommen hat, verschluckt jetzt die Parteifreunde gleich reihenweise. Was zu Franz Josef Strauß' seligen Zeiten noch als selbstverständlich galt – Kungeln, Schmieren, eben das ganze Spezi-System –, treibt die bayerische „Staatspartei“ heute in den Ruin.

Unter Strauß' führender Hand konnte man die Kritiker noch wegbeißen, lösten sich die vermeintlichen Skandale irgendwie in weiß-blauen Nebel auf. Damals, in der guten alten Zeit, stand die absolute Mehrheit der CSU so felsenfest wie die Zugspitze.

Dahin... Die CSU hat sich nie mehr vom Doppelschlag erholen können, der sie in den Jahren 1988 und 1989 traf. Zuerst starb FJS, und die Partei geriet in die Führungskrise. Dann kam die von der CSU so lang ersehnte Wiedervereinigung und trieb die Partei im größeren Deutschland in eine politisch marginale Rolle. Die hektischen Versuche, mit der DSU ein CSU- Schwesterchen in den neuen deutschen Ostgebieten zu begründen, gingen daneben. Zur gleichen Zeit starteten Franz Schönhubers rechtsradikale „Republikaner“ ihren Aufstieg, und die CSU werkelte an ihren eigenen Skandalen. Das bayerische Bollwerk begann heftig zu wackeln.

Ginge es heute nur um den Rücktritt von Gerold Tandler, dann wäre die CSU zu beneiden. Doch sein Ende wird eben nicht das Ende der Skandale sein, die sich aus Strauß' Zeiten angesammelt haben und die nun langsam abgetragen werden. Eine Affäre führt zur nächsten, ein Rücktritt bringt den nächsten CSU- Mann ins Wackeln. Die Verquickung von Partei, Freistaat und diversen Wirtschaftsbossen, dieses bayerische System der Selbstbedienung und Spezel-Wirtschaft, wird nicht durch ein paar Rücktritte geknackt. Nur wenn dieses ganze System tatsächlich abgetragen wird, werden die Negativ-Schlagzeilen ein Ende haben. Die CSU wäre damit deutlich überfordert. Einen kollektiven Rücktritt können nur die Wähler der CSU verpassen.

Ein Ende der absoluten Mehrheit der CSU in Bayern wäre mehr als nur ein Regierungswechsel, es wäre eine Revolution. Klaus Hillenbrand