Reichlich müde Stimmung unter den Wählern

■ Meinungsforscher registrieren gelassenes Interesse an Kommunalwahlen

Kiel (taz) – Für 75 Prozent der Schleswig-Holsteiner spielt die inzwischen ein Jahr dauernde Schubladen-Affäre bei ihrer Wahlentscheidung keine Rolle, so eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts infas. Lediglich sechs Prozent erklärten, ihnen gehe es bei der Stimmabgabe in erster Linie um eine Abrechnung. Für fast jeden zweiten Wähler steht die Politik vor Ort im Mittelpunkt.

Das freut die SPD. Sie hatte vor vier Jahren zum ersten Mal auf der Kreisebene mit 42,9 Prozent gewonnen. Es folgten die CDU mit 41,3, die FDP mit 6,1 und die Grünen mit 6,0 Prozent. Nach der infas-Umfrage bei 509 Schleswig- Holsteinern wird die SPD am Sonntag mit 42 Prozent stärkste Partei bleiben. CDU (37,5%) und FDP (3%) müssen mit hohen Verlusten rechnen. Bündnis 90/Die Grünen gewinnen zwei Prozent dazu. Die rechtsradikalen Parteien könnten laut infas ein Prozent erhalten.

Auf Gemeindeebene hatten vor vier Jahren die Wählergemeinschaften die Parteien überrundet. Sie hatten von den rund 12.000 zu vergebenden Mandaten rund 5.000 geholt. Doch die Wählergruppen drängen 1994 vermehrt auch in die Kreise und größeren Städte. Für zehn von fünfzehn Kreistagen und Ratsversammlungen haben Wählergemeinschaften und neue Protestparteien ihre Kandidaturen angemeldet. Die Partei der dänischen Minderheit, der Südschleswigsche Wählerverband (SSW), hat Kandidaten in den Kreisen nördlich des Nord-Ostsee-Kanals aufgestellt. Die rechtsradikalen „Republikaner“ kandidieren in Lübeck und im Kreis Rendsburg-Eckernförde und die rechtsextreme NPD im Herzogtum Lauenburg. – Rund 2,1 Millionen Einwohner sind am kommenden Sonntag bei der Kommunalwahl in Schleswig-Holstein wahlberechtigt. Davon sind etwa 52 Prozent Frauen. Etwa 49.000 Bürger können in Schleswig-Holstein zum ersten Mal an einer Wahl teilnehmen. Die älteste Wahlberechtigte ist 106 Jahre alt.

Nach Angaben des Landeswahlleiters Ulrich Mann sind in 1.098 Gemeinden, vier kreisfreien Städten und elf Kreisen 13.007 Mandate zu vergeben. In 27 Gemeinden, die nicht mehr als 70 Einwohner haben, wird keine Gemeindevertretung gewählt. Dort werden alle Entscheidungen in der Gemeindeversammlung, an der sämtliche Dorfbewohner teilnehmen, gefällt. kek