Akustische Mobiles

■ Das Quartett „Il Gran Teatro Amaro“ präsentiert seine neue Platte „Hotel Brennessel“ Sonntag abend in der Fabrik

Die Schwerkraft von Tönen richtig zu handhaben, ist eine Kunst, deren man erst dann richtig gewahr wird, wenn die Musik genügend Luft läßt, um auf alle Sphären zu lauschen. Il Gran Teatro Amaro basteln mit Meisterschaft aus akustischen Elementen jene musikalischen Mobiles, wo jeder Klang, jeder Ton im Gleichgewicht zu seinem System sich langsam und freundlich bewegt. Chansons, Volks- und Trinklieder, melodiöse Gedichte mit Vogelgezwitscher, impressionistische Ausflüge, Filmmusikalisches, Lieder und kleine vertrackte Kompositionen aus allen Genres jener Musik, die man auf der Straße, in der Kneipe oder nur für Freunde spielen kann.

Mit akustischer Gitarre, Streichinstrumenten, Akkordeon, Klavier, Flaschen, Stimmen oder Händeklatschen instrumentieren sie ihre fragilen Kompositionen, denen sie auf der Bühne auch wilde Exzesse folgen lassen können. Wer die Band bei einem ihrer diversen Auftritte in Hamburger Kleinst-Etablissements einmal erleben durfte, weiß, daß sie hörbare Töne zum Verschwinden bringen können und daß Sänger Francoise-Regis Cambuzat bei besonders erregten Ausflügen zwischen den Kneipenstühlen oder zur Tür hinaus schon mal Stürze in die Musik einflicht.

Textlich argumentiert das Quartett, das aus drei Musikern und einer Musikerin aus vier verschiedenen Nationen besteht, in expressionistischer Manier über die Unglaublichkeit von Rassismus und die Notwendigkeit der Liebe. In allen ihnen zur Verfügung stehenden Sprachen (fünf an der Zahl) wandert die Band mit ihrem Publikum um die Welt der Seufzer, Flüche und sehnsuchtsvollen Gedichte. Melancholie ist dabei Trumpf.

Auf ihrer aktuellen CD Hotel Brennessel (RecRec), die ohne technische Verkleidung 2-Spur in einem rotten Schloß auf Usedom aufgenommen wurde, entblättern sie in berauschender Manier ihr ganzes Repertoire an Ideen und Verrücktheiten, die immer stimmungsvoll herzergreifend, aber gleichzeitig intellektuell stringent verarbeitet sind. Einfach großartig.

Till Briegleb

Sonntag, Fabrik, 21 Uhr