Gong zur zweiten Runde

■ Nach dem Niedersachsen-Auftakt zum Wahljahr '94 folgen am Sonntag die Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein / Nicht die große Politik, sondern Müllgebühren und Kindergartenplätze sorgten für Gesprächsstoff

Leicht verblüfft registrierten die Parteimanager in Schleswig-Hol-stein im Kommunalwahlkampf einen ganz klaren Trend: Nicht die „hohe Politik“ in Bonn, nicht die Irrungen und Wirrungen um die „Schubladen-Affäre“ in Kiel werden das Wählerverhalten am kommenden Sonntag bestimmen, sondern die Kindergartenversorgungen und höhere Müllgebühren sorgen für Diskussions- und Gesprächsstoff. Das bestätigte auch wenige Tage vor der Wahl eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Infas.

Mit Kopfschütteln und Zweifeln begegneten dagegen CDU und FDP einem weiteren Ergebnis der Umfrage, nach dem sich im Sog der niedersächsischen Landtagswahl klare Verluste für beide Parteien abzeichnen sollen. CDU-Sprecher Bernd Sanders verwies auf die Fehlerquote von über zwei Prozent bei 509 Befragten: „Da sind noch viele Fragezeichen“. Richtig sauer reagierte Ex-FDP-Landeschef Wolfgang Kubicki: Die Umfrage im Auftrag des NDR sei doch nur ein Geschenk der SPD-Landesregierung an den Sender für die versprochene fünfte Hörfunkkette, schimpfte er.

Eine positive Bilanz zog SPD-Landesgeschäftsführer Werner Kindsmüller. Nach seiner Meinung hat der Kommunalwahlkampf gezeigt, wie „ein Wahlkampf auch sein kann: ohne inhaltsleere Rituale, ohne gegenseitige Verletzungen, dafür aber sachbezogen und argumentativ“. Über die „gute Stimmung“ vor Ort weiß auch Sanders zu berichten: Seine CDU-Wahlkämpfer freuten sich, daß sie auf dem Marktplatz oder an den Informationsständen „nicht beschimpft wurden“. Dafür froren alle Mandatsbewerber allerdings bei teilweise Schnee, Eis und Sturm umso erbärmlicher.

Auch den Bürger ließ der Wahlkampf eher kalt. Zwar wollten die Parteisprecher einen „regen Besuch“ ihrer Veranstaltungen ausgemacht haben, doch lediglich Matadoren wie SPD-Chef Rudolf Scharping, FDP-Vorsitzender Klaus Kinkel oder Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis, mit der die SPD sogar auf Plakaten warb, konnten größere Massen mobilisieren. Die CDU hatte nur wenige Bundesminister einfliegen lassen – dafür mußte Landeschef Ottfried Hennig alleine rund 60 Termine wahrnehmen.

Zwiespältig reagierten die Parteien auf das Ergebnis der niedersächsischen Landtagswahl. Nachdem die FDP-Spitze zunächst „mit Entsetzen“ den Rauswurf der Liberalen aus dem Hannoverschen Landtag zur Kenntnis genommen hatte, gab nur wenige Stunden später Landesgeschäftsführer Friedrich Hass trotzig die Parole aus: „Jetzt erst recht mit voller Pulle bis zum Sonntag kämpfen“. Die von Simonis erwarteten „positiven Signale für uns“ konterte Hennig mit der Hoffnung: „Bei der Kommunalwahl gelten andere Gesetze“.

Außer mit allgemeinen Slogans wie „Mut zur Wahrheit“ oder „Die soziale Kraft“ konzentrierten die Parteien ihre Wahlprogramme auf lokale Probleme wie Wohnungsbau, Straßenumgehungen oder Betriebsansiedlungen.

dpa/taz/wap