Nur die SPD führt einen Wahlkampf – gegen sich selbst

■ Kommunalwahlen im Kreis Segeberg: Wählergemeinschaften mit 100-Prozent-Abonnement / Die DVU und die Republikaner treten gar nicht erst an / Die Sozialdemokraten streiten sich untereinander

Trend und Bundespolitik werden am kommenden Sonntag die Ergebnisse auch dieser Kommunalwahlen maßgeblich bestimmen. Jedoch: Das platte Land bietet reizvolle Besonderheiten. Schon ein Blick auf die Wahlergebnisse von 1990 zeigt, daß – lange vor der Erfindung der Statt Partei – die sogenannten „freien“ Wählervereinigungen ein gewichtiges Wörtchen mitzureden hatten. Und auch sonst verlaufen die politischen Frontlinien in den Kommunen anders als auf Bundes- und Landesebene.

So heißt die Alternative zur CDU in Wakendorf II beispielsweise nicht SPD oder Grüne, sondern WGW: Die Wählergemeinschaft brachte es vor vier Jahren auf satte 49,6 Prozent. In der Gemeinde Winsen sind ABW, FWW und ABK unter sich. Und in Hüttblek im Amt Kisdorf hat die KWH neun von neun Sitzen abonniert: Sie bekommt traditionell hundert Prozent der Stimmen. Dort tritt eine politische Konkurrenz erst gar nicht an.

Im Kreis Segeberg steht ein erfreuliches Ergebnis schon fest, bevor der erste Stimmzettel in die Urne gefallen ist: DVU und „Republikaner“ haben keine Listen eingereicht. Allerdings tritt für den Segeberger Kreistag sowie in Kaltenkirchen und Wiemersdorf der „Aufbruch '94“ an, eine Gründung des ehemaligen Republikaners und Schönhuber-Spezis Emil Schlee. In Schleswig-Holsteins fünftgrößter Stadt Norderstedt steht am Sonntag erstmals eine „freie“ Wählergemeinschaft mit auf dem Stimmzettel, die „Bürgerpartei“. Nach Bekunden ihres Initiators Alfred L. Wagner, früher einmal Vorsitzender der Norderstedter CDU, steht die Bürgerpartei politisch zwischen Christdemokraten und Reps.

Daß gerade in Norderstedt die Rechtsextremen noch nie so recht haben Fuß fassen können, ist unter anderem einer rührigen Gegenbewegung zu verdanken. Ihr breitgefächertes Spektrum reicht von den an den Kirchengemeinden angesiedelten Freundeskreisen (die einiges an sozialer Betreuung in den Flüchtlings-Unterkünften leisten, was Stadt und Kreis zu leisten sich weigern) über die in der Jugendbildungsarbeit aktive Volkshochschule und die Gewerkschaften bis zur Norderstedter Antifa.

Die häufigsten Themen im – aufs Ganze gesehen eher gemütlichen – Norderstedter Wahlkampf sind Straßenverkehr, Wohnungsbau und Soziales. In ihrer einstigen Domäne, der Sozialpolitik, hat die SPD fast komplett den Grünen das Feld überlassen und macht sich zunehmend durch eine harte Spar- und Gebührenpolitik unbeliebt. Sie geht dabei soweit, eigenhändig ihr einst liebstes Kind, die Gesamtschule, zu zerstückeln. Die Grüne Spitzenkandidatin Sabine Weber rechnet sich wohl nicht zu Unrecht aus, daß der mögliche Zorn auf die SPD sich am Sonntag auf ihrem Haben-Konto niederschlagen wird.

Wirkliche Schärfe kam in diesem Wahlkampf nur im benachbarten Henstedt-Ulzburg auf, allerdings nicht zwischen den Parteien, sondern innerhalb einer Partei, wiederum der SPD. Hier sorgte ein handfester Krach zwischen Kreispartei und Ortsverein für Beschäftigung der Anwälte und dafür, daß in zwei von drei Henstedt-Ulzburger Wahlkreisen auswärtige Direktkandidaten für den Kreistag antreten. Sepp Harms