Rauhbauzig, direkt, ergebnisorientiert

■ Wirtschaftssenator Rittershaus: Crash-Kurs in Politik / Behörde staunt Von Florian Marten

„Herr Grosse! Vier Fahrzeuge der S-Klasse – das können Sie doch nicht ernsthaft für angemessen halten. Eines für Sie, ja, vielleicht, aber vier für die Geschäftsführung?!“

Wolf-Dietrich Grosse, Chef der fast bankrotten Hamburger Stahlwerke (HSW), wollte zuerst seinen Ohren nicht trauen. Doch der Spuk verflog nicht. Mit schneidendem Ton las Dr. Erhard Rittershaus, Ex-Manager und seit kurzem Hamburger Wirtschaftssenator, dem Spitzenmanager die Leviten. Ein derartig aufgemotzter Fuhrpark, so kanzelte der Senator weiter, sei selbst bei gesunden Unternehmen dieser Größenordnung absolut unüblich. Geradezu unfaßbar sei die Sache aber für eine Firma, die in einer Existenzkrise stecke und vollständig von staatlicher Hilfe abhängig sei: „Ich erwarte Konsequenzen!“

Noch am selben Nachmittag meldeten die Stahlwerke Vollzug. Der Hamburger Gebrauchtwagenmarkt war um vier Daimler der S-Klasse reicher. „Nein, Glace-Handschuhe sind nicht immer meine Sache“, schmunzelt Rittershaus.

Die Daimler-Story ist mehr als eine bloße Anekdote. Sie steht für den Stil des neuen Mannes, der am 24. März bereits 100 Tage im Chefzimmer der dornigen 8. Etage des Kolosses der Wirtschaftsbehörde am Alten Steinweg residiert. Rauhbauzig und direkt, auf Ergebnisse orientiert, ein Stil, der in Hamburgs Behördenwelt ebenso ungewöhnlich wie sprengsatzgefährlich ist: „Wenn der keinen Erfolg hat, dann können wir uns das Thema Manager in der Politik für lange Zeit abschminken.“ Mit Herzklopfen verfolgen führende Funktionäre der Hamburger Handelskammer denn auch derzeit die hartnäckigen Klimmversuche des konservativen Wirtschaftssenators in der seilschaftsdurchseuchten Eigernordwand des Hamburger Rathauses.

Es bleibt nicht allein beim Mitgefühl: Nicht zuletzt auf Betreiben der Kammer wurde Rittershaus mit Staatsrat Wolfgang Prill ein überaus fähiger Behördenhengst beiseite gestellt, ein Verfahrensprofi, bar jeden visionären Ehrgeizes, aber voller Lust, die Klaviatur der Drucksachendiplomatie und Haushaltstiteleien perfekt zu bedienen. Rittershaus, gewohnt zu delegieren, hat an dieser Arbeitsteilung bereits Geschmack gefunden. Trotz fleißigen Aktenstudiums – „jedes Wochenende packen wir ihm einen ganzen Koffer ein“, so ein Mitarbeiter – sind seine Deckungs-Lücken im Rathausnahkampf noch unübersehbar. Die schließt jetzt Verwaltungs-Karateka Prill, in dieser Disziplin fraglos reif für den schwärzesten aller Gürtel, der seinen neuen Chef keine Sekunde aus den Augen verliert.

Wenn Rittershaus nach anfänglichen heftigen Reibereien in seiner Behörde inzwischen davon spricht, „wir formieren uns langsam als Team“, ist neben Prill vor allem Dr. Theodor Körner gemeint. Der Chef der Abteilung Wirtschaftspolitik in der Rittershaus-Behörde darf endlich das tun, was dem blitzgescheiten Neudenker am meisten liegt, nämlich die Rolle des obersten und einflußreichsten Vordenkers spielen. Die konventionelle Wirtschaftsdenke von Rittershaus wird hierdurch modernisiert und nachhaltig aufgepeppt. Ein vielversprechendes Trio infernale aus Boß (Rittershaus), Majordomus (Prill) plus Ein-Mann-Kreativ-Box (Körner) zeichnet sich ab.

Stadtchef Henning Voscherau muß dennoch nicht fürchten, jetzt breche eine Ära gefährlich erneuerter Wirtschaftspolitik an. Im Gegenteil, Rittershaus betet den gleichen veralteten Wirtschaftskatechismus wie Hamburgs regierender Notar: Wirtschaft braucht Flächen und gigantische Verkehrsinvestitionen, der Hafen geht über alles, Alt-Industrien müssen – koste es, was es wolle – um der „kleinen Leute“ willen verteidigt werden. Körners Ideen sind das Sahnehäubchen obendrauf, kleine Kurskorrekturen und Zuckerl, die den traditionellen Trampelpfad schnurgerader Wachstumsideologien allenfalls verschönern. Potentielle Störenfriede dagegen werden mit einem mitleidigen Lächeln belohnt. Oberbaudirektor Egbert Kossak, in Sachen Stadtentwicklung neuerdings auch stadtökologischer Wirtschaftspolitiker und heftiger Kritiker der Flächenmanie der Hamburger Standortpolitik, wird von Rittershaus erst garnicht ernst genommen: „Kossak ist ein international hoch anerkannter Architekt.“ Aber: „Bei der Hafenpolitik geht es nicht um einen Schönheitswettbewerb, sondern um den wirtschaftlichen Lebensnerv Hamburgs.“ Und, noch ein kleiner Seitenhieb: „Wenn dann die Wirtschaft auch noch schön ist – umso besser!“

Für erfrischende Unruhe könnte Rittershaus aber an anderer Stelle sorgen. Vor allem Hamburgs Filzhochburgen, die städtischen Unternehmen, sollten sich warm anziehen. „Ich werde mir ein Unternehmen nach dem anderen vorknöpfen“, versprach Rittershaus der taz. „Eine ganze Reihe von ihnen sind erheblich besser ausgestattet als vergleichbare Privatunternehmen.“ Dabei wird Rittershaus nicht immer der Verkauf von protzigen Dienstwagen genügen: Vielleicht kommt es gar zu einer echten Fitnesskur für einige Unternehmen, Spitzenmanager eingeschlossen. Die Akten der desolat geführten Flughafengesellschaft hat Rittershaus schon mehr als einmal stirnrunzelnd durchgeblättert.

Kein Wunder, daß die Handelskammer bereits hoffnungsfroh und vorsorgend weit in die Zukunft guckt, wie ein Insider berichtet: „Wir haben Rittershaus schon mal bedeutet, daß er erst in zweiter Linie der Statt-Partei, zualler erst aber seinem Amt verpflichtet ist.“ Im Klartext: Sollte die Statt-Partei scheitern, angesichts der labilen Verfassung einiger Hauptdarsteller nicht ganz unmöglich, könnte Rittershaus trotzdem Senator bleiben.