Keine überbezahlten Bonzen

■ betr.: „Tarifkompromiß im öffent lichen Dienst“, „Phantasielos“, taz vom 12.3.94

Phantasielosigkeit wirft die tageszeitung in einem Kommentar zum Tarifabschluß im öffentlichen Dienst der Gewerkschaft ÖTV vor. „Fatal“ sei es für die Ost-KollegInnen, „daß sich die ÖTV nicht mit Vehemenz für neue Arbeitszeitmodelle eingesetzt“ habe. Die ÖTV wird der Initiativ- und Tatenlosigkeit geziehen, sie sei eine Gewerkschaft ohne beschäftigungsfördernde Ideen. Die taz-Kritik ist wie so oft hart, aber diesmal unberechtigt. In einem Agenturbericht derselben taz-Ausgabe werden denn auch die beschäftigungssichernden Tarifvereinbarungen ausführlich dargestellt. Ihrem Kommentator scheint dies aber entgangen zu sein. Die taz vom 12.3.: „Erstmals sieht der Tarifvertrag auch Öffnungsklauseln vor, nach denen für einzelne Betriebe und Verwaltungen bis Ende 1995 eine Arbeitszeitverkürzung auf bis zu 32 Stunden vereinbart werden kann. (...) Und anders als in der Chemie- und Metall-Industrie wird diese Arbeitszeitverkürzung von den regionalen Tarifparteien geschlossen.“

Ein weiterer bedauerlicher Patzer taucht in der Ausgabe vom Dienstag, 15.3. auf. Unter dem Titel „Das Revival der kurzen Arbeitszeiten“ wird moniert, daß die ÖTV-Vorsitzende Monika Wulf- Mathies „alle Fragen nach beschäftigungssichernden Elementen im Tarifabschluß für den öffentlichen Beschäftigungssektor zurückgewiesen“ habe. Das Gegenteil ist der Fall. Uns ist es nämlich gelungen, mit eigenen Vorschlägen und mittels Vereinbarung ganz unorthodoxer Maßnahmen, Beschäftigungssicherung tariflich zu verankern. Ein Novum.

Noch einmal im einzelnen:

Für das Tarifgebiet Ost wurde eine Rahmenregelung geschaffen, die ergänzende, regionale oder örtliche Tarifverträge zur Beschäftigungssicherung durch Arbeitszeitverkürzung ermöglicht. Die wesentlichen Elemente dabei sind: alle Möglichkeiten zum sozialverträglichen Personalabbau müssen ausgeschöpft werden. Um Entlassungen zu verhindern, kann ergänzend bis 1995 eine Verkürzung der Arbeitszeit für längstens drei Jahre vereinbart werden. Bindende Voraussetzung dafür ist ein tariflich geregelter Teillohnausgleich, über dessen Höhe die regionalen bzw. örtlichen Tarifparteien noch verhandeln müssen. Gilt eine solche Regelung, genießen die Beschäftigten Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen. Unabhängig davon wurde verabredet, Teilzeitbeschäftigung und die Übernahme von Auszubildenden besser zu fördern. Dies bedeutet zum Beispiel, daß Auszubildende, die nach dem Ende ihrer Ausbildung bislang vor dem Aus standen, künftig die Chance erhalten, für mindestens sechs Monate in ein reguläres Arbeitsverhältnis übernommen zu werden. Rainer Hillgärtner, Pressespre-

cher der Gewerkschaft ÖTV,

Stuttgart