Fauler Mann, was nun?

Und wieder einmal ein Buch, dem die Zurichtung der Wirklichkeit nach einer These gelingt: eine Suada gegen die mächtigen, immer gleichen, unveränderbaren Männer  ■ Von Mechtild Jansen

Der Jammer über die Arbeitslosigkeit ist groß, besonders seit sie mehr und mehr die Männer trifft. Da kommt eine feministische Neuerscheinung auf den Markt, die Männer als das allemal faule Geschlecht anprangert. Männer lassen arbeiten, lautet die These von Claudia Pinl, so wie Männer Wilfried Wieck zufolge ja auch lieben lassen. Die Autorin trägt an Fakten und Untersuchungsergebnissen zusammen, was sich zum Thema angesammelt hat in den letzten 15 Jahren. Das ist bekanntlich eine ganze Menge. Manche ge- oder erfundene Fallgeschichte erzählend, mal hübsch, mal abgestanden polemisch, beackert Claudia Pinl alle Felder von Arbeit, an denen sich illustrieren läßt, daß „der Mann mit dem harten Job in Wirklichkeit ein fauler Hund ist“. Die Autorin stellt heraus: Auf allgemeiner Ebene akzeptiert der Mann zwar mehr als einst das veränderte Selbstverständnis der Frauen, praktisch aber setzt er dem ziemlichen Widerstand entgegen. Der Mann verteidigt zäh seine Ernährerrolle und Karriere sowie die Ressource Ehe als staatlich geförderte, kostengünstige Versorgungsinstanz. Das gilt letztlich auch für den partnerschaftlich eingestellten „neuen“ Mann.

Im Haushalt hat der Mann allgemein „Null-Bock auf Bügeln“ oder „feuchte Textilien“. Er bringt allenfalls Mithilfe zustande, und auch dabei pickt er sich noch die Rosinen aus dem Kuchen. Wenn Kinder da sind, läßt auch „der Gutwillige Kochlöffel und Schrubber fallen“. Wenn Mütter aber in den Beruf zurückwollen, „schrillen bei Vätern die Alarmglocken“. Sie akzeptieren höchstens Teilzeitarbeit. Ihre Sorge gilt dabei aber nicht etwa den Kindern, sondern sie selbst wollen nicht vernachlässigt werden. Hindernis der Frau ist das große Kind Mann. Zuvorderst seiner Seele – „diese Gefühlskrüppel“ – dient auch ihre Beziehungsarbeit. Nur in verschwindend geringer Anzahl schränkt der Mann freiwillig seine Erwerbstätigkeit ein. Falls er in Teilzeit arbeitet, so um seiner Vaterfreuden und der Freizeit willen, erst dann der Erwerbstätigkeit der Frau zuliebe. Selbst als – exotischer – Hausmann läßt er sich immer noch zu einem Drittel von seiner berufstätigen Frau versorgen. Nach 15 Monaten spätestens aber hat er genug und kehrt in den Beruf zurück. Die neuen erwerbstätigen Väter verschwinden schnell wieder, nachdem sie gerade noch bei der Geburt mitgeatmet haben. Obwohl möglich, nehmen sie sich kaum einmal frei, wenn ihre Kinder krank sind. Erziehungsgeld und -urlaub beanspruchen sie zu ganzen 1,5 Prozent. Und wenn die Beziehung zu den Müttern in die Brüche gegangen ist, entziehen sie sich nahezu jeder Verantwortung. Dieses Paschatum herrscht weltweit. Im Beruf sind die Männer zugleich unterbeschäftigt und überbezahlt. Sie verbummeln ihre Zeit auf Sitzungen, Geschäftsreisen und Selbsterfahrungswochen. Der Wirtschaftskreislauf aber ist ohne die privaten Haushalte nicht denkbar. Bei minimalen Freiräumen erwirtschaften Frauen dort höchsten Wert. Der Sozialabbau soll sie zwingen, hier noch zuzulegen. Und bei Kindereinrichtungen ist Deutschland Schlußlicht in Europa.

Soweit, so gut. Als Nachhilfeschnellkurs für Bedürftige und Neulinge in Sachen Feminismus und Arbeit ist dies Buch nützlich. Doch die empörte phänomenologische Aneinanderreihung weiblicher Benachteiligung ist nicht gerade neu und häufig redundant. Sie liefert keine neue Information und kein neues Argument. Bald jeder Politiker, erst recht jede Politikerin weiß all dies heute aufzulisten und zu bedauern. Claudia Pinls Ursachenerklärung ist so banal wie bekannt. „Männer machen keine Hausarbeit, weil sie faul sind. [...] faul, weil sie es sich leisten können, weil sie das sozial stärkere Geschlecht sind, [...] notfalls mit Gewalt. [...] weil sie die Macht haben. Die ganze Gesellschaft basiert auf der Dominanz der Männer.“ Worin diese Dominanz ihre Ursachen hat, mit dieser Frage hält sich die Autorin jedoch nicht auf. Die Rolle der Wirtschaft, von Leistung und Konkurrenz, wird nicht hinterfragt. Wenn denn einmal der Hinweis auf das Muster männlicher Verfügbarkeit in der Arbeit erfolgt, so nur, um zu konstatieren, daß sich „die Männer in ihr subjektiv sauwohl fühlen“. Mann ist eben Mann. Der Kampf um Gleichberechtigung sei Kampfansage an die Ernährer- Identität der Männer, so Claudia Pinl. Widersprüchlichkeiten gerade dieser Rolle kennt sie nicht. Veränderungen bei den Männern stellt sie als letztlich irrelevante Imagemanöver hin. Bei Claudia Pinl hat kein Mann reale Probleme, er ist nur widerwärtig. Aber Väterrechte zu fordern, wo kaum eine Frau einen Zweifel aufkommen lassen möchte, wem das Kind im Streitfall „gehört“, ist – gekoppelt an entsprechende Pflichten – eben nicht nur unverschämt. Angst vor Lohneinbußen bei Teilzeitarbeit muß für weniger postmoderne, durchschnittliche Lohnabhängige nicht nur Schutzbehauptung sein.

Zwar sieht Claudia Pinl sinkende Geburtenraten sowie Singles und nichteheliche Gemeinschaften am Ende auch als Protestformen von Frauen. Doch inwieweit gehen mit der Veränderung von Arbeit und Familie heute auch tiefere Zerfallserscheinungen des patriarchalen Geschlechtsrollenmodells einher? In Großstädten leben nur noch ein Drittel in einer „Familie“, 50 Prozent schon als Singles. Dieser Wandel kann doch auch zugunsten der Frauen befördert werden! Aber nein: Verdrossen arbeitet sich die Autorin an einem schlichten Männerbild ab. Aber ehrlich: Ist die Wiederholung der Diskussionen aus den Achtzigern wirklich noch kämpferisch und mobilisierend? Die bloße Fixierung auf die Abgrenzung zum Mann bleibt dem Objekt doch gerade manisch verhaftet!

Wie Frauen verinnerlichte Herrschaft und Unterwerfung abwerfen, wie Mütter mit außertariflicher Schattenerwerbstätigkeit ihre „Berufsverbote“ zu unterlaufen versuchen, wie sie männliche Verweigerung gegebenenfalls konterkarieren, wieviel ihnen der Beruf bedeutet, dazu hätte frau gern etwas gelesen. Folgt man der Argumentation des Buches, ist überhaupt nicht einleuchtend, warum Frauen für Arbeitszeitverkürzung, Väterpflichturlaub, Abschaffung von „Familienlöhnen“ und statt dessen mehr Kindergeld kämpfen sollen, wenn die neuen Männer eh nur alles für sich ausschlachten. War's das? Ach ja: Da ist ja auch noch die Schlußempfehlung: Vorwärts, Frauen! Wie wahr.

Claudia Pinl: „Das faule Geschlecht – Wie die Männer es schaffen, Frauen für sich arbeiten zu lassen“, Eichborn Verlag, Ffm, 1994, 192 Seiten, 24,80 DM