Wo Direktoren zu Ministern werden

■ Serbien hat eine neue Regierung

Belgrad (taz) – Daß der neue serbische Ministerpräsident Mirko Marjanović keine umwälzend neue Politik machen wird, läßt sich bereits an seiner Biographie erkennen: Bisher hatte er als Chef des Außenhandelsgroßkonzerns, „Progress“ linientreu sozialistische Unternehmenspolitik betrieben. Seine gut geölten Verbindungen nach Rußland – in erster Linie Erdgasgeschäfte – werden allerdings als Indiz dafür gewertet, daß sich Präsident Slobodan Milošević mit der Mandatsvergabe außenpolitisch für die russische Option entschieden hat.

Marjanović steht für solide Wirtschaftspolitik und unbedingte Loyalität gegenüber Miloševićs „Sozialistischer Partei“. Für alle Ministerämter wählte er erprobte Kader und Direktorenkollegen aus, dem Parlament und der Öffentlichkeit verkaufte er seine 30-köpfige Mannschaft als „Regierung der nationalen Einheit“. Inhaltlich bezeichnete „der Neue“ die konsequente Umsetzung des derzeitigen Reform- und Stabilisierungsprogramms, die Demokratisierung und die Entwicklung der Rechtsstaatlichkeit als Schwerpunkte seines Programmes. Die kriegerischen außenpolitischen Vokabeln vom „nationalen Interesse“ Serbiens gehören der Vergangenheit an: Milošević läßt seinen neuen Ministerpräsidenten nun die Unterstützung des Friedensprozesses in Ex-Jugoslawien als Hauptziel ausrufen.

Ein typisch balkanisches Kuriosum ist die Tatsache, daß Marjanović für den Fall seines Scheiterns seinen alten Direktorenposten beibehält. Diesem Rückversicherungsmodell folgten auch zehn seiner Minister, weshalb die oppositionelle Presse fragte, ob sich eine Unternehmensoligarchie herausbilde. Die Opposition verlor derweil ihre Unschuld: Aus ihren Reihen sind fünf Abgeordnete in die Regierungsmannschaft eingetreten und haben ihr somit das Firmenschild „Regierung der nationalen Einheit“ verliehen. Dieses Lockangebot Miloševićs an die Opposition war nötig, da seine „Sozialisten“ zwar als stärkste Partei aus den Parlamentswahlen hervorgegangen waren, die absolute Mehrheit aber verfehlt hatten. Mit fünf oppositionellen Ministern wurde nun relativ billig die nötigen Stimmen im Parlament und die direkte Regierungsbeteiligung oder den nur noch passiven Widerstand der Opposition eingekauft.

Die neue Regierung dürfte somit eigentlich weniger brüchig sein als die bisherigen. Aber das Machtmonopol der Sozialisten wird allmählich von innen untergraben. Dies läßt ahnen, daß bis zu den nächsten Wahlen keine vier Jahre vergehen werden. Karen Thürnau