Arbeitszeit für Männer runter!

■ Jill Rubery von der Universität Manchester zur Arbeitszeitverkürzung

Jill Rubery koordiniert ein Netz von ExpertInnen der Europäischen Union, das die Situation von Frauen auf den Arbeitsmärkten untersucht.

taz: Sie haben auf diesem internationalen Kongreß hier in Berlin empirische Studien über die mögliche Umverteilung von Arbeit durch Arbeitszeitverkürzung vorgestellt. Eine Ihrer Thesen lautet: 35 Stunden sind noch zuviel, weil sonst die Frauen zu kurz kommen.

Jill Rubery: Wenn 90 Prozent der Menschen in der EU im Alter von 20 bis 59 Jahren Arbeit haben sollen – und zwar genauso viele Frauen wie Männer –, dann dürfen alle im Durchschnitt nur 30 Stunden arbeiten. 35 Wochenstunden würden bei dem gegenwärtigen Arbeitsvolumen nur 77 Prozent der Menschen Arbeit geben. Da würden Frauen, die heute gar nicht als Arbeitssuchende registriert sind, weiter herausfallen.

Jenseits der Durchschnittsarbeitszeit: Sie haben behauptet, daß vor allem Männer lange arbeiten, über 45 Stunden, sehr viele Frauen dagegen weniger als 20 Stunden.

Mein eigenes Land, Großbritannien, ist da am extremsten, während Dänemark die ausgeglichenste Verteilung der Arbeitszeit hat. Die Entwicklung sollte aber überall in Richtung einer geringeren Standardarbeitszeit für alle gehen.

Hoffen Sie, daß sich dadurch auch Familienstrukturen so verändern, daß auch Männer tatsächlich weniger arbeiten oder zeitweise aussteigen können?

Ohne die Normarbeitszeit für Männer wie Frauen zu verringern, gibt es jedenfalls keine Aussicht, die Hausarbeit neu zu verteilen. Die meisten neu entstehenden Arbeitsplätze in der EU gehen an Frauen. Ohne die Arbeitszeit auch der Männer zu reduzieren, erhöht das nur die Doppelbelastung der Frauen.

Wollen Sie wirklich, daß alle die gleiche Stundenzahl bezahlter Arbeit machen?

Nein, das wäre zu rigide. Aber die Norm könnte doch zwischen 25 und 35 Stunden variieren. Ich will nur betonen, daß sehr geringe Teilzeitarbeit die Leute an ihrem Arbeitsplatz tendenziell diskriminiert. Teilzeit sollte mindestens zwei Drittel oder drei Viertel der regulären Arbeitszeit betragen.

Sie schlagen vor, mit der radikalen Arbeitszeitverkürzung bei den Akademikern und höheren Angestellten anzufangen.

Aus mehreren Gründen. Erst mal sind das die besser bezahlten Jobs, da gibt es für die Umverteilung mehr Spielraum – auf einen vollständigen Lohnausgleich setze ich nicht. Zum anderen braucht es gerade bei den Akademikern eine Art sozialer Konsens, daß da mehr Jobs geschaffen und die Arbeitszeiten reduziert werden müssen. Wenn wir das den Individuen überlassen, dann stehen gerade die Akademiker und Manager unter großem Druck, immer länger zu arbeiten. In Großbritannien geht dort die Tendenz immer mehr weg von Verträgen mit fester Arbeitszeit und hin zu solchen, bei denen nur die Aufgabe definiert wird. Das führt dazu, daß die Leute meinen, sie müßten immer länger arbeiten, um die Vorgaben zu erfüllen.

Heißt das, die Strategien müssen auch je nach Land sehr unterschiedlich sein?

Das Beispiel von VW wird nicht überall funktionieren. In Großbritannien haben die sehr niedrig bezahlten Arbeiter die längsten Arbeitszeiten. Da würde ich zuerst einmal darauf hinarbeiten, diese Löhne anzuheben. Ähnlich in den ärmeren südeuropäischen Ländern. Da ist der Anteil der Frauenarbeit gering, und man kann die langen Arbeitszeiten der Männer nicht reduzieren, ohne gleichzeitig oder vorher mehr Frauen Arbeit zu geben. Interview: Michael Rediske