Tote aus Versehen

Polizisten erschossen zwei Menschen / Drill zum Schießen  ■ Von Bernd Siegler

„Bayern ist das sicherste Bundesland“, betont Bayerns Innenminister Günther Beckstein bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Zur Inneren Sicherheit, entgegnet ihm Gerald Häfner, Landesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, gehöre aber auch „die Sicherheit, nicht versehentlich erschossen zu werden“. Und um die ist es im Freistaat schlecht bestellt.

In der Nacht zum Donnerstag wurde ein 22jähriger Kosovo-Albaner in Bad Endorf (Oberbayern) nach einer wilden Verfolgungsjagd von einem Polizeibeamten erschossen.

Eine Woche zuvor ereilte einen 38jährigen Kriminalpolizisten das gleiche Schicksal. Bei einem Scheinkauf von Drogen wurde er in Weiden (Oberpfalz) von einer Polizeibeamtin versehentlich erschossen. In beiden Fällen steht jetzt die Polizeibewaffnung im Mittelpunkt der Kritik: die P7 aus dem Hause Heckler & Koch.

In der Nacht zum Donnerstag forderten nach einer Verfolgungsjagd Polizeibeamte mit gezogener Waffe die Insassen eines Fahrzeug zum Aussteigen aus. Der Fahrer, ein 22jähriger Asylbewerber, kam dieser Aufforderung nicht nach. „Hierauf fiel der sofort tödliche Schuß“, aus der Waffe eines 29jährigen „erfahrenen“ Beamten, sagte der Rosenheimer Oberstaatsanwalt Weber.

Genau eine Woche zuvor endete ein Drogenscheingeschäft für einen 38jährigen Zivilfahnder tödlich. Bei der Übergabe des Rauschgifts löste sich der tödliche Schuß aus der Dienstwaffe einer 24jährigen Beamtin des Landeskriminalamtes (LKA). Noch vor der Spurensicherung entfernten Polizeibeamte das Zivilfahrzeug vom Tatort und säuberten den Tatort mit einem Besen.

Bayerns Innenminister Beckstein hat inzwischen eine Auflistung der Vorkommnisse mit der P7 von Heckler & Koch angefordert. Diese Polizeiwaffe wird in Bayern, Niedersachsen und Sachsen verwendet. Schon seit ihrer Einführung in Bayern im Jahr 1979 war die Waffe höchst umstritten. Bei der P7 genügt es, den Pistolenknauf fest mit der Hand zu umspannen, um die Waffe zu entsichern. Danach reicht schon ein relativ schwacher Druck auf den Abzugshahn, schon löst sich ein Schuß.

Aufgrund der Vielzahl von Unfällen mit der P7 halten Waffen- und Polizeiexperten aus anderen Bundesländern die Heckler-&- Koch-Pistole für untauglich für den Polizeidienst. Die Todesspur der P7 in Bayern ist lang. 1983 erschoß beispielsweise ein Polizeibeamter „versehentlich“ einen 14 Jahre alten Jungen in Gauting bei München, 1989 einen 17jährigen Autodieb in Würzburg und im gleichen Jahr einen Einbrecher in Neumarkt.

Zuletzt wurde 1993 ein flüchtender Autofahrer in Bad Tölz Opfer eines sich versehentlich gelösten Schusses.

„Daß die P7 im bayerischen Polizeidienst verwendet wird, darf man meinem Mandanten doch nicht anlasten“, lautet die Verteidigungslinie eines polizeilichen Todesschützen, der 1990 in Würzburg zu 9.000 Mark Geldstrafe verurteilt worden war. Doch nicht nur von der Waffe gehen Gefahren aus. Laut Polizei-Leitfaden sollen die Beamten bei Personenkontrollen die Waffe „zur Eigensicherung im Anschlag halten und dem Verdächtigen durch entschlossenes Auftreten deutlich machen, daß er keine Chance“ habe.

In der Schießausbildung werden die Beamten zum reflexartigen Schießen in den Kopf-, Brust- und Bauchbereich konditioniert. Im Begleittext zum Training der sogenannten „Survival-Schießtechnik“ heißt es kurz und bündig: „Um zu überleben, müssen Sie gnadenlos schnell handeln.“