Gespart wird doch nicht überall

Nachtragshaushalt: Busspuren werden knapp, der BVG werden 58 Millionen Mark gekürzt, doch die Staatsoper darf abkassieren / Die Feuerwehr muß doppelt soviel sparen wie die Polizei  ■ Von Dirk Wildt

Ende April will der Senat seinen Sparplan – den Nachtragshaushaushalt – dem Abgeordnetenhaus vorlegen. Noch im Mai soll das Werk, das im Berliner Haushalt zu Einsparungen von 1,3 Milliarden Mark führen soll, vom Parlament beschlossen werden. Ein sehr ehrgeiziger Zeitplan. Denn auf den zweiten Blick zeigt sich, daß die schwarz-rote Landesregierung nicht hält, was sie versprochen hat: Die Einsparungen im sozialen, kulturellen und Bildungsbereich sind massiv. Ressorts wie Inneres, Justiz und Finanzen kommen dagegen mit einem blauen Auge davon (siehe auch die beiden Tabellen). Mit Sicherheit wird der Nachtragshaushalt im Parlament zu kontroversen Debatten führen und ohne Änderungen nicht abgesegnet werden.

Aus annähernd 40.000 Einzeltiteln setzt sich Berlins Haushalt von bisher 43,6 Milliarden Mark zusammen. Bei der überwiegenden Zahl muß jetzt gestrichen werden. Daß allerdings gleich der achte Posten im Nachtragshaushalt nicht reduziert, sondern erhöht wird, soll selbst Parlamentspräsidentin Hanna-Renate Laurien (CDU) unangenehm sein. Im Etat des Abgeordnetenhauses (60 Millionen Mark)*, in dem 800.000 Mark gekürzt wurden, werden die „Zuschüsse für den Wahlkampf“ um 1,5 Millionen Mark auf 3,4 Millionen Mark erhöht. Der Sprecher der Parlamentspräsidentin, Stephan Sassenroth, bestätigte gegenüber der taz, daß die Erhöhung der Wahlkampfkosten selbst in seinem Haus für Verwunderung gesorgt habe – doch der Grund dafür sei in Bonn zu finden. Das Parteiengesetz des Bundes ist im Februar neu geregelt worden und beschert auch den Berliner Wahlkampfgruppen eine zusätzliche Ausschüttung.

Was dem Senat allerdings peinlich sein sollte, ist der Etat der Verwaltungsdruckerei. Vollmundig hatte Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) nach der Senatsklausur vor vierzehn Tagen behauptet, auch die landeseigene Druckerei (8,5 Millionen Mark) spare. Das jedoch ist nur die halbe Wahrheit. Rohstoffe und Dienstleistungen müssen dieses Jahr für 127.000 Mark billiger eingekauft werden als geplant. Dieser Betrag taucht in einem neu eingerichteten Titel als Einnahme wieder auf – bei der „Zuführung an den Geldbestand“.

Auch andere Einrichtungen und Institutionen brauchen nicht zu sparen. In diesen Fällen hatte der Senat vorher allerdings auch nichts Gegenteiliges angekündigt. Dazu zählen der Verfassungsgerichtshof (620.000 Mark), die Zentrale polizeiliche Ermittlungsstelle (ZERV) (40 Millionen Mark), die Musikhochschule „Hanns Eisler“ (19 Millionen Mark), das Pflanzenschutzamt (3,2 Millionen Mark) oder auch die Kongreßhalle am Alex (2,4 Millionen Mark) und der Datenschutzbeauftragte (3,8 Millionen Mark).

Zu den wenigen Gewinnern darf sich die Deutsche Staatsoper (91 Millionen Mark) gesellen. Zwar muß sie bei pauschalen Minderausgaben fünf Millionen Mark kürzen, darf aber bei „Aufwendungen für das künstlerische Personal“ zehn Millionen Mark mehr ausgeben. Unangefochtener Sieger ist die Wirtschaftsverwaltung. Sie erhöht ihren Etat mit dem Nachtragshaushalt um 36 Prozent auf 1,4 Milliarden Mark. Wie der Sprecher der Verwaltung, Holger Hübner, erläuterte, sei die enorme Steigerung vor allem durch zusätzlich fließende Mittel aus Brüssel möglich, von denen die Verwaltung selbst nichts habe. Sie würden als Zuschüsse an die regionale Wirtschaft weitergegeben.

Der Etat der Wirtschaftsverwaltung verdeutlicht, wie unübersichtlich der Nachtragshaushalt gestrickt ist. Finanzstaatssekretär Werner Heubaum meinte gestern, daß seine Verwaltung die Vorgaben dennoch erfüllt habe. Eine Übersicht – etwa prozentualer Einsparungen, die untereinander verglichen werden könnten – sei nicht üblich. Außerdem seien die Finanzbeamten längst mit dem Doppelhaushalt 1995/1996 beschäftigt. In den beiden kommenden Jahren sollen noch einmal sechs Milliarden Mark gespart werden. Übersichtlichkeit wäre dabei selbst für Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) nicht das schlechteste: Gleich in zwei Pressekonferenzen in den beiden vergangenen Wochen verwirrte er Journalisten um so mehr, je länger er redete. Mal war seinen Worten nach der Stellenstopp aufgehoben, mal sollte er erst Mitte dieses Monats beginnen. Pieroth, heißt es hinter vorgehaltener Hand, hat auf der Senatsklausur selbst seine Kollegen ins Schwitzen gebracht.

Wenig schwitzen müssen dagegen – wen wundert es bei einer Koalition aus CDU und SPD? – die Innenverwaltung (5,5 Milliarden Mark), die Polizei (2,1 Milliarden Mark) und der Verfassungsschutz (20 Millionen Mark). Statistisch muß etwa jeder der rund 40.000 Haushaltsposten um zwei Prozent gekürzt werden, doch diese drei liegen jeweils unter 0,7 Prozent. Die Feuerwehr muß mit 1,6 Prozent dagegen doppelt soviel sparen. Bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) geht es dann richtig zur Sache. Der Landeszuschuß von 1,45 Milliarden Mark wurde zu diesem Jahr bereits um 250 Millionen Mark gekürzt, jetzt stehen weitere 58 Millionen Mark auf Pieroths Wunschzettel. Auch die Busspuren hat es erwischt. Nach drei Jahren andauernden Streits hatte sich im vergangenen Herbst die Koalition geeinigt, die Streckenlänge von 66 Kilometer auf 156 Kilometer zu verlängern. Jetzt sind die anderthalb Millionen Mark für die „Vorbereitung zur Umsetzung“ auf eine dreiviertel Million Mark eingedampft.

Wie aus der von der taz zusammengestellten „Liste der Verlierer“ (siehe unten) hervorgeht, führt die Internationale Jugendbegegnungsstätte mit Einsparungen von über 33 Prozent diese zweifelhaften „Top ten der Sparer“ an. Auch diese am stärksten betroffenen 18 Einzelposten zeigen eindrücklich, daß im Nachtragshaushalt mehr sozialer, kultureller und bildungspolitischer Sprengstoff steckt, als ihre Macher zugeben wollen.

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