Was war schon mehr zu erwarten?

■ Betr.: „Irak-Embargo: Verstoß ge ahndet“, taz vom 12.3.94

Mit Verwunderung las ich die in lakonischer Kürze, genau acht Zeilen, abgefaßte Meldung über das vortägige Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe gegen einen Unternehmer, der gegen das Irak-Embargo verstoßen hat und zu einer „einjährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung“ sowie einer Geldbuße von 30.000 DM verurteilt wurde. Kein Name wurde genannt, keine Firma, kein Detail des Verstoßes. [...]

Das Urteil wird die Waffenhändler aller Couleurs aber arg abschrecken: Das steckt ein Unternehmer leicht weg. Vergessen sind wohl die Tage eines zweiten Golfkriegs, wo vielen in der Bundesrepublik klar wurde, wie viele bundesdeutsche Firmen Saddam Hussein aufgerüstet haben, so daß er zwei schreckliche Golfkriege und Kriege im eigenen Land gegen Minderheiten wie Kurden und Schiiten mit Tausenden von Opfern führen konnte und leider noch führen kann. Vorbei die Angst vor den unberechenbaren Scud-Raketen, die Israel und andere Nachbarstaaten bedrohten. Nach Lektüre des Leyendecker-Buchs, wo seitenlang die Geschäfte des Herrn Beaujean aus Stutensee beschrieben werden, kann ich die Entscheidung des Gerichts in Karlsruhe nicht nachvollziehen.

Sie reiht sich aber nahtlos ein in die milden Urteilssprüche vergangener Monate, wo es um Giftgasexporte (Darmstadt) und Scud- Raketenkomponenten (Augsburg) an den Irak ging.

Doch was war schon mehr zu erwarten, wenn doch öffentlich geworden ist, daß die Bundesregierung selbst an den Irak von 1982 bis 1989 über eine Milliarde DM Rüstungsgüterexporte zugelassen hat, obwohl damals der Irak einen Angriffskrieg gegen den Iran geführt hat, der acht Jahre lang dauerte und Hunderttausende Todesopfer auf beiden Seiten forderte. Die Exporte waren erlaubt und verantwortet durch Helmut Kohl, dem das vitale Interesse und die außenpolitischen Gründe der Bundesrepublik dermaßen am Herzen lagen, daß er in so ein klassisches Kriegsgebiet diese Geschäfte mit dem Tod als Vorsitzender des Bundessicherheitsrats erlaubte.

Und es geht ja so weiter: Allein im Jahre 1992 wurden laut Bundestagsdrucksache 12/4794 für 28,9 Mrd. DM Rüstungsexporte aus deutschen Landen erlaubt, wovon ein bedeutender Teil auch in Kriegsgebiete und Länder der sogenannten Dritten Welt ging. Dabei sind die dual-use-Güter gar nicht mit einbezogen und die Lizenzproduktionen von Waffen und Rüstungsgütern im Ausland auch nicht. Alle Arten von Rüstungsexporten rufen dort Elend, Hunger und Tod hervor.

Wenn schon die Richter in dieser Republik Embargoverstöße so gering ahnden und der Bundeskanzler als größter legaler Rüstungsexporteur dieser Republik sich beim Geschäft mit dem Tod nicht beirren läßt – im Augenblick wird er von einigen Unionspolitikern sogar zu noch mehr Rüstungsexporten ermuntert, obwohl die Bundesrepublik 1993 gar auf Platz 3 der Waffenhändler-Nationen vorgerückt ist –, so sollte doch bei der nächsten Bundestagswahl dieser Kanzler abgewählt werden, denn immer mehr Proteste gegen diese Geschäfte mit dem Tod werden überall laut. [...] Walter Schwenninger,

Vorstandsmitglied der RIB,

Tübingen