Die Suche nach dem Jungbrunnen

■ Jetzt werden Wachstumshormone auch als neues Lebenselixier gehandelt

Die Suche nach der ewigen Jugend war lang und enttäuschend. Das biblische Alter eines Abraham ist heutigen Menschen trotz aller Anstrengungen der Biotechnologie bisher versagt geblieben – und damit bleibt die Drohung explodierender Gesundheitskosten, die die auf den Kopf gestellte Alterspyramide bereithält.

Abhilfe verspricht nun ein neues Jugendelixier: Wachstumshormone. Die Mainstream-Forschung hat sich mittlerweile daran gemacht, Anwendungen für Wachstumshormone zu erschließen. Nahezu alles soll damit kurierbar sein: von Fettleibigkeit über Stoffwechselstörungen, Abwehrschwäche, Herzkrankheiten, Muskelschwäche, Depressionen bis zum Altwerden.

Optimisten glauben, daß die Anwendung des Wachstumshormons den Alterungsprozeß nicht nur stoppt, sondern sogar umkehrt; das Wachstumshormon soll zum universell anzuwendenden Mittel für alle Alten werden. Skeptiker mahnen zur Vorsicht: Es bestehe eine feine, aber wichtige Grenze zwischen der Behandlung altersbedingter Krankheiten und der Behandlung des Alters als Krankheit. Sie warnen vor den Nebenwirkungen: vergrößerte Hände und Füße und ein hervorspringender Kiefer, außerdem Diabetes und Migräne. Sie sehen die Chancen ihrer Forschung durch den Enthusiasmus ihrer Kollegen und eine fordernde Öffentlichkeit gefährdet. Schon umgehen manche Patienten die normale Behandlung, um in den Genuß von Wachstumshormonen zu kommen. Die Wachstumshormone sind Ende der 50er Jahre entdeckt worden. Ursprünglich wurden sie aus Leichen gewonnen und waren dementsprechend rar und teuer. Die Ärzte kamen überein, sie für Kinder vorzubehalten, die selbst keine Wachstumshormone erzeugen konnten und bei denen die Hormone deutliche Erfolge bewirkten. Ende der 70er Jahre konnten die Wachstumshormone gentechnisch hergestellt werden – und jetzt zwang die Logik der Marktwirtschaft die Forscher dazu, neue Märkte für die nun reichlich produzierbare Ware zu finden. Die Erwachsenen, bisher von dem Mittel ausgeschlossen, wurden als neue Zielgruppe entdeckt.

Der Pegel der Wachstumshormone ist sehr hoch beim Fötus und nimmt von der frühen Kindheit von Lebensdekade zu Lebensdekade ab; mit etwa 60 Jahren wird die sogenannte Somatopause erreicht, in der nur noch geringe Mengen des Hormons produziert werden – vergleichbar mir der Abnahme der weiblichen Geschlechtshormone in der Menopause. Das Alter ist also eng mit dem Hormonpegel verknüpft. „Ein Mangel an Wachstumshormonen“, faßt der US-Forscher Daniel Rudmann das altersbedingte Phänomen zusammen, „ist unter alten Leuten weitverbreitet.“ Genauso wie man Östrogenmangel beheben könne, sei auch dem Wachstumshormonmangel zu Leibe zu rücken. Wenn auch nicht alle Alterseffekte zu beheben seien, so sei doch die Alterung des Hormonsystems zu stoppen. Erste Studien mit erwachsenen Tumorpatienten ergaben, daß Wachstumshormone den Körperbau vorteilhaft verändern: Der Fettbauch verschwindet, das fettfreie Gewebe nimmt zu. Ferner beschleunigt sich der Stoffwechsel, der Cholesterinspiegel sinkt, der Muskeltonus und die Herzaktivität verbessern sich.

Ein solch positives Ergebnis hat das amerikanische Gesundheitsministerium in helle Begeisterung versetzt. Mittlerweile sind acht Projekte zur Erforschung von Interventionen gegen das Altern ins Leben gerufen worden. Auch die amerikanische Öffentlichkeit nimmt großen Anteil an der Forschung: Endlich gibt es ein Verfahren, um die Zeit zurückzudrehen! Geschichten über alte Leute, die sich durch Wachstumshormone halb so alt fühlen, wie sie sind, und die wieder voll Energie und sexueller Potenz sind, machen die Runde. Einige Geschäftstüchtige haben bereits Kliniken in „unreglementierten“ Ländern aufgemacht, in denen die Wachstumshormone freizügig der zahlenden Kundschaft verabreicht werden. Selbst Ethusiasten warnen vor diesen Kliniken: Die Nebenwirkungen der Hormone – Brustvergrößerungen bei Männern, erhöhter Blutzuckerspiegel, Ödeme – habe man noch nicht im Griff. Vor allem eine Nebenwirkung der voreiligen Anwendung bereitet diesen Forschern Sorge: Die Nebenwirkungen, womöglich der Tod von Patienten, können das ganze Projekt in Mißkredit und damit zum Scheitern bringen.

Denkt man die Vorstellung der Kämpfer gegen das Alter weiter, eröffnet sich ein einzigartiger Ausblick auf den Endsieg des Konservatismus: Nichts ändert sich mehr, es bleiben immer dieselben Menschen auf der Welt, niemand – kein Neugeborenes, noch ohne Besitz und Rechte – kommt mehr in den Klub der Lebenden hinein. Sabine Müller