Nebensachen aus Washington: Lady MacClinton
■ Hillary und der Feminismus
Eine Nebensache ist Hillary natürlich nicht. Aber weil im Moment alle, die Washington für den Nabel der Welt halten, über nichts anderes als Hillary reden, gibt es zur Zeit keine Nebensachen. Sie hat mit Grundstücken spekuliert; sie hat mit ihren Anwaltsaufträgen gekungelt; sie weigert sich, freiwillig ihre Finanztransaktionen offenzulegen. Und sie feuert den französischen Chefkoch und den amerikanischen Hausmeister, weil der immer noch mit Barbara Bush telefoniert. Wer denkt jetzt noch an Annie Leibovitz' Weichzeichner-Fotos der First Lady in Vogue oder an ihr „Jeanne d'Arc“-Image als Rächerin aller Kranken? Lady Macbeth is back. Und die Washingtoner Fangemeinde der First Lady, darunter meine Freundin Clarice, ist zum emotionalen Krisengebiet geworden.
O.k., die Sache sieht auf den ersten Blick ziemlich unfair aus. Es gibt zwar politisch korrektere Tätigkeiten, als mit Grundstücken zu spekulieren – aber verboten ist es nicht. Und sich mit Hilfe des Gouverneursgatten ein paar Anwaltsmandate zu sichern, ist sicher nicht die ethisch feine, fortschrittliche Art, aber ebensowenig gesetzwidrig wie das Ersitzen eines staatlichen Zusatzeinkommens in den Aufsichtsräten von Konzernen, die ihre Angestellten ansonsten mit Billiglöhnen abspeisen. Und die Sache mit dem Chefkoch kann man ihr nun wirklich nicht vorwerfen. Der hat sich einfach geweigert, das Konzept der „low-fat cuisine“ zu adaptieren. „Sogar Paul Bocuse hat ihr empfohlen, einen Amerikaner in die Küche zu stellen“, schließt Clarice ihr atemloses Verteidigungsplädoyer. Bill hält sich fein heraus und erklärt sich in dieser Frage zum „traditionellen und beschränkten Mann“, der einfach alles ißt, was auf den Tisch kommt.
O.k., das Geschrei der Presse und der Opposition ist ziemlich hysterisch und heuchlerisch. Da begleichen ein paar Chauvinisten ihre Rechnung mit einer First Lady, die sich nach ihrem Geschmack auf Plätzchen und Karitatives beschränken sollte. Und so mancher Republikaner, schnaubt Clarice, der sich jetzt in die Höhen moralischer Unantastbarkeit emporgeschwungen hat, „müßte bei der dünnen Luft Nasenbluten kriegen“. Und wer die Angelegenheit „Whitewater“ zu einem Skandal à la Watergate oder Iran–Contra erklärt, der sollte sich ohnehin wegen Hyperventilation in Behandlung begeben. Aber so ist das eben: Die Rechten müssen mindestens den Kongreß belügen, damit die Presse „Skandal“ schreit; die Linken (was immer das ist) brauchen bloß rote Ohren zu kriegen.
Aber Kritik an Hillary ist doch nicht gleich ein Frontalangriff auf Frauen, Fortschritt und Feminismus, wage ich zaghaft einzuwenden: „Sie kann sich nicht einfach beleidigt stur stellen, wenn die eigenen Finanz- und Anwaltsgeschäfte ins Gerede kommen“, sage ich, „und vorher neue Moral und Transparenz in der Politik predigen.“ „Das tun die Rechten doch auch“, mault Clarice. „Schon“, antworte ich. „Aber denen glauben wir's von vornherein nicht.“
Ich habe dann doch noch Trostspendendes in der New York Times entdeckt. Die hat nach dem Kesseltreiben in der Käseglocke Washington durch einen Reporter erstmals wieder Kontakt mit der Außenwelt aufgenommen und festgestellt: Außerhalb der Hauptstadt hält man „Whitewater“ für einen Wassersport. Andrea Böhm
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