BGH-Urteil „Öl aufs Feuer der Neonazis“

■ Bubis fordert Gesetzesänderung

Bonn/Berlin (taz/AP/AFP) – Die Kritik am Skandalurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) in Sachen „Auschwitzlüge“ und Volksverhetzung reißt nicht ab. Der Zentralrat der Juden in Deutschland forderte am Wochenende mit „mit allergrößtem Nachdruck“ eine Gesetzesänderung, die die Leugnung des Holocaust generell unter Strafe stelle. Die bekanntgewordene mündliche Begründung, so der Zentralrat, „erweckt den Eindruck einer Gebrauchsanweisung, wie man der Bestrafung wegen der Verbreitung der Auschwitz-Lüge entgehen kann“. Das Urteil sei „wie Öl auf das Feuer der Neonazis, die sich ermutigt fühlen werden“. Der Vorsitzende des Zentralrats, Ignatz Bubis, forderte Regierung und Parlament auf, „diese Gesetzeslücke schnellstens zu schließen, damit auch ohne die vom Bundesgerichtshof aufgestellten überzogenen subjektiven Überprüfungsmerkmale eine effektivere Verurteilung möglich wird“.

Wie die taz berichtete, hatte der BGH am vergangenen Dienstag die Verurteilung des NPD-Vorsitzenden Günter Deckert aufgehoben, der den US-„Hinrichtungsexperten“ und Holocaust-Leugner Fred Leuchter zu einer Parteiveranstaltung eingeladen und dessen Rede übersetzt hatte. Leuchter bestritt dabei den NS-Massenmord. Der BGH hatte festgestellt, daß diese Leugnung allein nicht den Tatbestand der Volksverhetzung erfülle, es müsse nachgewiesen werden, daß sich Deckert „mit der nationalsozialistischen Rassenideologie identifiziert“.

Ein Beschuldigter kann wegen der „Auschwitzlüge“ außerdem nur verurteilt werden, wenn dabei der Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt ist. Dieser sieht vor, daß sich die Verleumdung gegen die Menschenwürde richtet. Das BGH hatte in seinem Urteil nicht eindeutig festgelegt, daß durch die „Auschwitz-Lüge“ die Menschenwürde der Juden angegriffen wird.

Auf das BGH-Urteil hatten das Simon-Wiesenthal-Zentrum, der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN- BdA) sowie die Berliner jüdische Gemeinde Adass Jisroel und die Aktion Sühnezeichen mit Entsetzen reagiert. Auch sie hatten – ebenso wie die SPD-Justizministerin von Niedersachsen, Heidi Alm- Merk – eine Verschärfung des Strafgesetzes über Volksverhetzung gefordert.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sicherte gestern zu, daß das neue Verbrechensbekämpfungsgesetz eine leichtere Handhabung für die Strafvorschrift zur Volksverhetzung vorsehe. Dabei solle die generelle Prüfung entfallen, ob ein Angriff auf die Menschenwürde vorliege. Bei der Bekämpfung von Rechtsradikalismus und Antisemitismus dürfe man sich aber nicht allein auf das Strafrecht verlassen, sagte Leutheusser- Schnarrenberger. Nötig sei eine „entschiedener geführte politische Auseinandersetzung mit dem völkisch-nationalen Gedankengut“. kotte