Irritierend rot und schnell

■ Bremer Fahrradmanufaktur schraubt das taz-Rad zusammen

Erstklassig in der Ausstattung, souverän im Fahrgefühl, ein Rauschen durch Zeit und Raum. Über den Fichtel&Sachs Power Grip lasse ich 21 Gänge über die Nabe schlittern, gebe mich ganz der Erhabenheit auf dem Brooks Champion in schwarz hin. Der Fahrtwind umspielt Speichen, Kette und Bremskörper, kann der schlagkräftigen Pulverbeschichtung in irritierendem Rot nichts anhaben. taz, das Rad und taz, die Schreiberin lassen die Lagerhalle im Bremer Osten trotz des eisigen Nordwestwinds spielend hinter sich.

Dort fertigt eine kleine, aber unermüdliche Schar von Zweirad-MonteurInnen seit gut zwei Wochen neben den klassischen Modellen der Bremer Fahrradmanufaktur auch das Rad schlechthin. Die Idee dazu hatte eine unbeugsame tageszeitung aus Berlin, die Pläne weiterentwickelt hat der Verbund selbstverwalteter Fahradbetriebe.

In knapp zwei Stunden entstehen an den Montage-Parzellen aus unzähligen Einzelteilen die roten Allrounder. Technik und Rohstoffe des taz-Rades basieren auf dem Trecking-Rad der Manufaktur. Zur Spezialausführung gehören die extra dicken Rohre im Rahmen, die es auch Fahrerinnen der Damenausgabe ermöglichen sollen, dicke Ballen (Zeitungen?), Bierkisten und Baby-Tragetaschen zu transportieren.

Für die in den letzten Jahren arg gebeutelte Fahrradmanufaktur kam der Auftrag aus Berlin gerade recht. Stefan Boschen sieht das 1300 Mark teure Rad als „willkommenes Ding, um den Verkauf abzusichern“. Immerhin wurden in den letzten zwei Wochen schon 150 Räder verkauft, weitere 80 müssen zusammengesetzt und ausgeliefert werden. In der neuen Halle in Hemelingen haben die Manufakturisten die Produktivität verdoppelt. Früher, sagt Boschen, sei der Krankenstand katastrophal gewesen. Auf dem Gelände der alten AG Weser hätten die KollegInnen in einer ungeheizten Halle arbeiten müssen, der Imbusschlüssel rostete durch tropfendes Regenwasser aus dem Griff heraus.

Auch Bundeskanzler Kohl könnte stolz auf die taz sein: Alle Einzelteile des Rades kommen aus Europa. Keine Verlagerung der Produktion in den Fernen Osten trübt die ökologische Bilanz durch lange Transportwege, kein Arbeiter außerhalb der Europäischen Union verdient eine Mark an dem berlinisch-bremischen Joint-venture.

Aber auch PolitikerInnen können sich bald diesem leichten Schwebezustand auf dem taz-Rad hingeben. Dann nämlich, wenn sie einen ideenreichen, kreativen Wahlkampf veranstalten und der taz-Jury im Großen Preis des Super-Wahljahres 94 gefallen. Drei dieser ökologisch-zukunftsweisenden Mobile werden den prämierten PolitikerInnen ins Haus fahren. Für den verkürzten Dienstweg. Oder für viel Freizeitgestaltung, je nach Wahlergebnis. Ulrike Fokken