Fehlgebildete Kinder auch in Bremen

■ Datenmaterial jedoch äußerst dürftig, denn es gibt kein Melderegister

Auch der Bremer Gesundheitsbehörde sind mehrere Fälle von Kindern mit Fehlbildungen bekannt. Dabei handelt es sich nicht nur um Fehlbildungen an Armen und Beinen, sondern auch zum Beispiel um offene Rücken und „Hasenscharten“. Die Zahl der Kinder mit Fehlbildungen sei jedoch von Anfang der 70er Jahre bis heute im Jahresdurchschnitt von 30 auf 11 gesunken, teilte der Sprecher des Gesundheitssenators, Wolfgang Beyer, mit.

„Das ist aber keine sehr aussagekräftige Statistik“, fügt Beyer hinzu. Denn Hebammen und KinderärztInnen sind zwar verpflichtet zur Meldung von fehlgebildeten Kindern, kommen dieser Pflicht aber nur sehr unvollständig nach. Das bundesweit einmalige Modellprojekt „Kinder-Fehlbildungsregister“ in Mainz schätzt, daß mit der gesetzlichen Meldepflicht gerade mal zehn Prozent aller Fehlbildungen bei Kindern erfaßt werden. „Das hat natürlich wesentlich zu tun mit der deutschen Vergangenheit, aber auch mit der Diskussion um die Volkszählung“, erklärt sich Wolfgang Beyer die Meldeunlust der Hebammen und ÄrztInnen, da komme man auch mit Androhungen nicht weiter.

Auch eine telefonische Blitzumfrage der Gesundheitsbehörde bei den Bremer Krankenhäusern hat offenbar kein Ergebnis gebracht – die Krankenhäuser haben ja noch die einzelnen Geburtsberichte. Erst wenn in vier bis sechs Wochen die Krankenhäuser schriftliche Ergebnisse vorgelegt haben werden, kann festgestellt werden, ob es in einem der vergangenen Jahre eine Häufung von Fehlbildungen gegeben hat.

Der Vergleich mit den Fehlbildungsquoten anderer Bundesländer wird noch länger auf sich warten lassen. Niedersachsen will nämlich bislang als einziges Bundesland ein Melderegister für Fehlbildungen von Kindern einrichten. Europaweit ist die Bundesrepublik das einzige Land ohne brauchbare Daten.

England hingegen konnte offenbar mithilfe eines solchen Fehlbildungsregisters die Häufigkeit von offenen Rücken bei Säuglingen erheblich reduzieren: Es stellte sich heraus, daß vor allem sozial schwache Familien betroffen waren, die sich falsch ernährten. Mit der Einnahme von Folsäure scheint das Problem beseitigt worden zu sein.

Die ganze Debatte um die Fehlbildungen von Kindern ist ausgelöst worden von einer „Monitor“-Sendung am vergangenen Donnerstag. Darin hatte ein Reporter über eine Häufung von an Händen und Füßen Mißgebildeten an der Nordseeküste berichtet. Ein Schwerpunkt liegt danach bei Wilhelmshaven, ein anderer nördlich von Hamburg. Allein aus der Region Wilhelmshaven seien sieben Fälle bekannt, so der Fernsehbericht.

Das Gesundheitsministerium Niedersachsens bezeichnet diese Fälle nach einer eigenen Umfrage bei Krankenhäusern und Gesundheitsämtern jedoch als Einzelfälle. Ein vermehrter Anstieg der Fälle von Fehlbildungen bei Neugeborenen sei nicht bekannt worden. Trotzdem sollen jetzt die Krankheitsbilder der betroffenen Wilhelmshavener Kinder genauer untersucht werden.

cis/dpa