Hornberger Schießen am Alexanderplatz

■ Der Senatoren-Kompromiß: Nagel und Hassemer lassen in Kollhoffs Hochhäusern am Alex mehr Wohnungen und dafür weniger Büros einrichten

Im Streit um die geplante Bebauung des Alexanderplatzes zwischen Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer (SPD) und Bausenator Wolfgang Nagel (CDU) gibt es einen Sieger: Architekt Hans Kollhoff. Nach wochenlangen Auseinandersetzungen der beiden Senatoren über das städtebauliche Konzept und die Nutzung der Bauvorhaben einigten sich Nagel und Hassemer auf die Erhöhung des Wohnanteils. Dafür sollen weniger Büros entstehen als beabsichtigt. Diese Entscheidung, sagte Hassemer, taste „die Substanz des Kollhoffschen Entwurfs nicht an“. Die Idee der Hochhausplanung bleibe erhalten.

Von den 13 geplanten Türmen wird das südlich der S-Bahn vorgesehene Gebäude nicht realisiert. Bereits die Jury hatte 1993, nach der Wettbewerbsentscheidung, vorgeschlagen, das Gebäude zu streichen. Ebenso verabredeten Hassemer und Nagel, daß das Hochhaus Ecke Memhardtstraße erst nach 2010 realisiert werden soll, „damit die heute dort vorhandene Wohnbebauung auf absehbare Zeit erhalten werden kann“. In alle anderen zum Abriß vorgesehenen Bauten kann die Abrißbirne fliegen. Eine Korrektur forderten die Senatoren von Kollhoff, den Bereich Hans-Beimler-Straße/ Karl-Marx-Allee städtebaulich neu zu untersuchen. Nicht umgesetzt wird der Neubau für das Rathaus Mitte an der Ecke Alexanderstraße/Grunerstraße. Anstelle des Verwaltungsbaus soll dort ein „Wohnhochhaus“ geplant werden, sagte Nagel.

Der sogenannte Senatoren- Kompromiß bedeutet, daß der Flächenanteil der Wohnungen um 60.000 Quadratmeter ansteigt. Etwas verknurzt räumte Nagel ein, daß es ihm bei den Verhandlungen weniger um die Anzahl der Hochhäuser gegangen sei als vielmehr darum, die „kleinräumliche Mischung“ zu sichern und den Wohnanteil nicht als „marginale Erscheinung“ bestehen zu lassen. Insgesamt sollen im Umkreis des Alexanderplatzes nun statt 400 rund 1.300 freifinanzierte Wohnungen und Appartements entstehen. Der Anteil für Wohnungen läge demnach bei über 20 Prozent. Direkt auf den Alexanderplatz blicken allein elf Prozent der teuren Behausungen. In der Hauptsache können die Investoren, darunter Gruner & Jahr, die Deutsche Interhotel und Roland Ernst, ihre Bauvorhaben weiter für Büros, Läden und Restaurants nutzen.

Nagel erinnerte daran, daß nun das Bebauungsplanverfahren eingeläutet werden wird. Dafür sei an eine zeitliche Staffelung und drei Planungsräume gedacht. Zunächst soll für den nördlichen und dann den engeren Bereich Planungsrecht geschaffen werden. Als „unerfreulich“ bezeichnete Gerhard Keil, Bezirksbürgermeister von Mitte, das Ergebnis. Weder hätten die Senatoren bei ihren Verhandlungen etwas für den sozialen Wohnungsbau herausgeholt noch die Hochhausplanung entscheidend verändert. Die geplanten Wohnungen würden im wesentlichen einkommensstarken Schichten der Bevölkerung zugute kommen und nicht denen im Bezirk, die derzeit neue Behausungen bräuchten, sagte Keil. Keil befürchtet, daß die Umgestaltung des Alex in ein Hochhaus- und Bürozentrum eine negative Sogwirkung auf das Umfeld mit sich bringen könnte. Das Senatoren-Gespräch bezeichnete er als Hornberger Schießen. Rolf Lautenschläger