Wirres Irren vor trüben Augen

Bayern München – Borussia Dortmund 0:0 / Nach mattem „Spitzenspiel“ waren nur die geschlauchten Borussen-Fans zufrieden  ■ Aus München Werner Steigemann

Trotz tristen Wetters und Live- Übertragung im Fernsehen kamen immerhin noch 42.000 Zuschauer ins Münchner Olympiastadion, in der frohen Erwartung, ein sogenanntes „Spitzenspiel“ beobachten zu dürfen. Der bayerische Teil der Betrachter verließ nach 90 Minuten mißmutig das Stadion, während die Dortmunder Fans ihren BVB jubelnd verabschiedeten. Die meisten hatten eine Reise europäischen Ausmaßes hinter sich: von Dortmund über den Alpenhauptkamm nach Mailand und zurück nach München. Solch anstrengendes Reisen zehrt aus, besonders dann, wenn man in München die Starkbierzeit nicht ungenutzt verstreichen läßt. So schleppten sich, gegenseitig stützend, viele der gelb-schwarzen Anhänger Richtung Nordkurve, um dort mit glasigen Augen das Spielgeschehen auf sich einwirken zu lassen und nach Abpiff der Partie nicht nur freudetrunken das Unentschieden zu feiern.

Das Spiel auf dem Rasen war dann aber mitnichten ein Spiel, sondern sinnloses Gegrätsche und Hetzen ohne Ball. Mit Grausen wendete sich des öfteren Bayern- Trainer Beckenbauer ab, um hinterher seinen Beschluß bestätigt zu sehen, daß ein solches Gekicke seiner weiteren Trainertätigkeit nicht würdig ist. Außerdem, predigte der „Heilige Franz“, sei ein Fußballspiel, am Sonntag angesetzt, wider die göttliche Ordnung, die nämlich nicht vorsieht, an solch gesegneten Tagen dem Ball hinterherzulaufen: „Da geht man in die Kirche zum Beten und nicht zum Fußballspielen.“ Sein Gegenüber auf der Trainerbank, Ottmar Hitzfeld, weniger religiös, lobte seine Mannschaft ob ihrer gezeigten Disziplin sowie der Ruhe und des matten Tempos wegen und behauptete, Dortmund hätte in Mailand und München eine gute Woche erlebt.

Ganz unrecht hat er nicht, der Dortmunder Trainer, angesichts der bisher gezeigten Leistungen in der Meisterschaftsrunde. So sind ein beachtlicher, wenn auch wertloser Sieg in Mailand und ein erkämpftes torloses Unentschieden in München schon ein Erfolg für den gebeutelten Titelfavoriten.

Man muß ihn ja nicht mögen, den Lothar Matthäus, aber er war der einzige, der wenigstens zu Beginn der Partie zeigte, daß Fußball auch unterhaltsam sein kann. Daß er es über die Dauer des Spieles nicht schaffte, Struktur in die Aktionen der Bayern zu bringen, lag auch daran, daß Jorginho fehlte. Seine Mitspieler, die jüngst so erfrischenden Jungen wie Nerlinger, Scholl oder Frey, irrten meist nur wirr über das Grün oder standen sich gegenseitig im Weg. Die Stürmer Valencia und Labbadia schafften es während der gesamten Spielzeit nicht einmal, Torhüter Klos ernsthaft zu beschäftigen.

Das lag auch an dem anderen herausragenden Spieler dieses Abends, Matthias Sammer. Sein gekonntes und unauffälliges Organisationsvermögen ließ den Bayern keinen Spielraum, wobei hinzugefügt werden muß, daß die BVB-Abwehr meist aus acht Akteuren bestand. Zum Spiel selbst trugen die Dortmunder somit auch nicht wesentlich bei: Sich allein auf die Technik eines Chapuisat zu verlassen, ist für einen Sieg zu wenig. Den wollten sie aber überhaupt nicht, sondern „einen Punkt, weil zwei nicht möglich sind“ (Sammer), und somit erreichten sie das Ziel ihrer Wünsche. Es gab jeweils drei Torchancen auf jeder Seite. Und fast wäre den Dortmundern doch noch der Sieg gelungen, als der wieder genesene und eingewechselte Riedle kurz vor Schluß Torhüter Aumann zu einem seiner wenigen Einsätze zwang.

Endlich, kurz vor 20 Uhr, erbarmte sich der gute und gerechte Schiedsrichter Strampe (er verteilte die notwendigen gelben Karten gleichmäßig und in gekonnten Zeitabständen) und beendete das üble Treiben. Was bleibt, sind die recht erträglichen Nebeneinkünfte der beiden Mannschaften aus der Fernsehübertragung. Dies anscheinend rechtfertigt die Austragung eines Bundesligaspiels an einem Sonntag. Daß hierbei wenig Rücksicht auf die Fans der Münchner und Dortmunder genommen wird, die viele Kilometer aus Niederbayern oder dem Ruhrgebiet anreisen müssen, dürfte bei dem Geschäftssinn der Manager niemanden verwundern.

Borussia Dortmund: Klos - Sammer - Grauer, Schmidt - Reuter, Kutowski, Poschner (85. Rodriguez), Zorc, Reinhardt - Povlsen (79. Riedle), Chapuisat; Zuschauer: 42.000

Bayern München: Aumann - Matthäus - Kreuzer, Helmer - Schupp, Frey, Scholl, Nerlinger, Ziege - Labbadia, Valencia