Die fünf bedrohlichsten Wörter in den USA Von Andrea Böhm

Es soll ja keiner glauben, nur die deutschen WählerInnen leiden 1994 unter einem Superqualjahr. In den USA keilen und buhlen derzeit 435 Abgeordnete des Repräsentantenhauses, ein Drittel aller Senatoren sowie diverse Gouverneure und unzählige lokale Amtsträger um ihre (Wieder-)Wahl. Die schmutzige Wäsche aus Tausenden von großen und kleinen Wahlkämpfen würde den Mississippi endgültig umkippen lassen. Ein ganz besonderes Schauspiel bietet sich im Bundesstaat Virginia, wo ein gewisser Oliver North für das Amt des Senators kandidiert – frei nach dem Motto: „Was andere für Flecken auf meiner Weste halten, ist in Wahrheit schneeweiß.“

Richtig: Oliver North, von manchen liebevoll, von anderen abschätzig „Ollie“ genannt, war jener Colonel der Marines, der Erlöse aus Raketenverkäufen an den Iran an die Contras in Nicaragua weitergeleitet hatte – illegal, weil vom Kongreß verboten. Daß Ollies Aktivitäten dem damaligen Präsidenten (Ronald Reagan) und seinem Vize (George Bush) völlig unbekannt waren, mag glauben, wer will. Beide haben jedenfalls nach einem Schnellwaschgang ihres Gedächtnisses keinerlei Anlaß zu Selbstkritik oder gar Schuldgeständnissen gesehen. Und Ollie hat zwar den Kongreß belogen, belastende Dokumente aus dem Weißen Haus dem Reißwolf übergeben sowie Gelder abgezweigt. Aber er hat das Kunststück fertiggebracht, gerade daraus politisches Kapital zu schlagen: Sein Auftritt 1987 in Uniform vor dem Untersuchungsausschuß des US-Kongreß, bei dem er mit militärisch zackigem Ton den Senatoren bedeutete, daß man für das Vaterland und gegen den Kommunismus schon mal das Parlament hintergehen darf – dieser Auftritt des Ollie North ist inzwischen als Video erhältlich und verkauft sich gut als Wahlkampfmaterial. 22 Millionen Dollar an Spendengeldern flossen in den letzten Jahren auf Ollies Konten, wovon er nicht nur seine Anwaltskosten bezahlte, sondern auch seine Kandidatur für einen Sitz im US-Senat finanziert. Seine Anhänger halten ihn für genau das, als was er sich verkauft: der letzte aufrechte und ehrliche Amerikaner. Daß er jene Institution, in die er jetzt einziehen möchte, nach Strich und Faden belogen und mißachtet hat, ist in ihren Augen moralisch so verwerflich wie Clint Eastwood, wenn er sich als Superbulle über lästige Formalien wie Haft- oder Durchsuchungsbefehle hinwegsetzt. Jetzt atmen sie tief durch, wenn ihr Held gegen Homosexuelle im Militär wettert, die Amerikaner zum Beten auffordert und von seinen vier Kindern schwärmt, „die Gott uns geliehen hat“, oder gegen jene mobilisiert, die derzeit in den USA ohnehin einen schlechten Ruf haben: Politiker und Journalisten.

Nun muß zu Ehren der Bewohner in Virginia gesagt werden, daß sich eine stattliche Anzahl bei der Vorstellung krümmt, von einem Senator Oliver North im Kongreß repräsentiert zu werden. „North? Never!“ heißt einer der Slogans der Bürgerinitiativen, deren Mitglieder in amerikanischer Grassroots-Tradition nun Klinken putzen und ihren Mitbürgern mit einem Autoaufkleber ihre Schreckensvision als Warnung verkaufen: „Frage: Was sind derzeit die fünf bedrohlichsten Wörter in den USA?“ steht da zu lesen. „Antwort: United States Senator Oliver North.“