■ Italien: Feminismus von rechts
: Frauen mit 'nem Steifen?

Rom (taz) – Krise in Italiens Frauenbewegung: Nicht mehr ausschließlich links, wo traditionell das Herz des Feminismus angesiedelt schien, soll der Lebensmuskel neuerdings schlagen, sondern durchaus auch halb- oder gar ganz rechts. Die wild durcheinanderwirbelnden Politkonstellationen und der Wahlkampf für Parlament und Senat haben das möglich gemacht, und schon ergeben sich ganz neue Allianzen.

Der letzte Auslöser war die Ernennung einer Frau zur Direktorin (der in Italien üblichen Mischung aus Herausgeber und Chefredakteur als unumschränkte Leitungsposition einer Zeitung) der Mailänder Tageszeitung Il Indipendente. Ein besonders spektakulärer Fall, denn dies ist nicht nur der erste Fall einer Besetzung von derlei Posten mit einer Frau (sieht man einmal vom kollektiv geleiteten il manifesto ab, wo Frauen traditionell immer auch die Führung mit innehatten): die Zeitung steht auch noch den norditalienischen „Ligen“ nahe – jener Formation, die sich speziell in der Person ihres Chefs Umberto Bossi durch ein besonders machistisches Verhalten auszeichnet. „La Lega ce l'ha il duro“ (die Liga hat 'nen Steifen), ist sein so oft wiederholter Wahlspruch, daß daraus sogar ein Neologismus wurde: „Celaduristi“, Steifenträger. Und nun hat sich das auch noch, in souveräner Mißachtung der Anatomie, auf die Frauen übertragen: „Celaduriste“, als weibliche Form von „Celaduristo“.

Die große Verwirrung wurde jedoch nicht durch die Berufung Pialuisa Biancos – die bisher eine Fernsehsendung „Napoli chiama Roma“ in den Kanälen des Fernsehtycoons Berlusconi leitete, der auch Chef der rechtsliberalen Front „Forza Italia“ ist – an die Spitze des Indipendente ausgelöst, sondern durch die Kommentare seitens angesehener Frauenrechtlerinnen. Ausgerechnet in Noidonne (Wir Frauen), dem verbreitetsten Politmagazin der Bewegung, erschien ein Artikel der angesehenen Mitstreiterin Anna Maria Guadagni, der den „Feminismus von rechts“ ausdrücklich begrüßte und dabei gleich noch ein weiteres Sakrileg beging: Er hieß, neben der ins Kommandozentrum der „Ligen“ aufgestiegenen Pialuisa und der in eben diesen Ligen für Kirchenfragen zuständigen Irene Pivetti auch noch eine in der Linken geradezu als Unperson verschriene Frau „herzlich willkommen im Feminismus“ – die Enkelin des Faschismus-Begründers und Spitzenfrau der neofaschistischen Partei MSI, Alessandra Mussolini. Ein Stich ins Wespennest. „Rechter Feminismus“, entsetzte sich die Publizistin Dacia Maraini, „das ist doch blanker Widerspruch in sich selbst.“ „Diese rechten Feministinnen sind doch gar nicht weiblich“, murrte ihre Kollegin Lidia Ravera, „die kleben sich Bärte unter die Nase, behalten aber dabei ihren Minirock an und sind nicht bereit, unseren langen Marsch hin zu einer artikulierten Frauenkultur auf sich zu nehmen.“ Analog die Philosophin Adriana Cavarro, allgemein gerühmt als Begründerin der „Theorie von der spezifischen Differenz der Geschlechter“: „Wenn in der Rechten eine Frau Leitungspositionen erlangt, dann nur um den Preis, sich selbst als Einzelfall zu begreifen und sich mit dem zufriedenzugeben, was ihr die Männerwelt an Stellung anbietet.“ Im übrigen beeinflusse auch die derzeitige Wahlkampagne die Auswahl gerade in Parteiorganen und Stimmbezirken: „Da die Frauen, dank der aus der Linken heraus aufgebauten Emanzipationsbewegung, ihre Stimme immer deutlicher vernehmen lassen, ist es nur natürlich, daß die Rechte, um Wähler zu gewinnen, sich dieses Potentials bedient.“ Genau an dieser Stelle freilich hatte auch Noidonne angesetzt: „Gleichgültig, ob die Männerwelt Frauen aus strategischen oder aufrichtig emanzipatorischen Gründen in höhere Positionen als bisher setzt – die Frauen werden sich nicht nur zu behaupten wissen, sondern die erreichten Stellungen zum weiteren Aufstieg und zum weiteren Vorantreiben unseres Kampfes nutzen.“

Vorbei also mit dem Privileg der Linken in Sachen Emanzipation und Frauenbewegung? Die ins Rampenlicht gerückten Frauen der „Ligen“ und des Neofaschismus sehen sich mittlerweile sogar als eine Art neuer Avantgarde des Feminismus: „Ich versteh' den Ärger der aus der linken Ecke kommenden Feministinnen sehr gut“, sagt Indipendente-Chefin Bianco, „die haben die Frauenbewegung als ihr Eigentum betrachtet und müssen doch immer häufiger einsehen, daß sie von ihren männlichen Kollegen mehrheitlich nur instrumentalisiert wurden und ihnen ein wirklicher Durchbruch nicht gelungen ist.“ Die Christdemokratin Ombretta Fumagalli Carulli sieht befriedigt auf „den Scherbenhaufen der Quotrenregelungen und des Frauenschutzes – als ob wir Pandas oder seltene Vögel wären, die man vor der Ausrottung schützen muß“. Nun endlich, so Fumagalli, „ist nach der Aufhebung der Zurücksetzung als eine Art Untermenschen, die uns jahrhundertelang unterdrückte, auch die Zeit gekommen, jene zu befreien, die nur deshalb als mindere Frauen angesehen wurden, weil sie nicht in linken Parteien oder Gruppen arbeiteten“.

Indipendente hat der Wechsel der Chefredaktion allerdings eine spürbare Vermehrung von Frauenthemen gebracht – von einfühlsamen ganzseitigen Reportagen über den Wahlkampf der Alessandra Mussolini in Neapel (und dies, obwohl „Ligen“-Chef Bossi die Neofaschisten ein ums andere Mal böse angreift) bis zu Artikeln über das Leben der Aurore Dupin, genannt George Sand, im vorigen Jahrhundert reicht der tägliche Bogen der Berichterstattung.

Und die Bezeichnung „Celadurista“ stört Mariapia Bianco auch nicht: „Wenn wir schon so weit sind, daß sie in uns Frauen mit 'nem Steifen sehen, ist die Zeit zur Abdankung der Männerwelt wohl ein gutes Stück nähergerückt.“ Werner Raith