Freunde unterm Stern

Herr Braun und sein kleiner Knecht Berti ganz professionell – bei einer großen Tour de Werbung  ■ Aus Stuttgart Peter Unfried

„Das Wichtigste bei uns“, das wird Egidius Braun nicht müde zu betonen, „sind die Kinder.“ Kriegt er welche zu sehen, dann läßt er die Kinderlein alle zu sich kommen, dann beugt er sich nach unten, dann fragt er jedes einzelne nach seinem Namen, und wenn es ein Autogramm haben will, fragt er, ob es sich denn nun mit „f“ oder mit „ph“ schreibe.

Es sinniert der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) gerne auch relativ ungefragt über „Menschlichkeit“: „Schon in den Sechzigern“ will er erkannt haben – er hat seinen Max Frisch offenbar brav gelesen –, daß man seinerzeit zwar „Gastarbeiter gerufen“ habe, daß aber doch „Menschen gekommen“ seien. Und was die Aktion „Keine Macht den Drogen“ angeht, so kann er, gerne auch rotbackig, ganz pathetisch werden: „Wenn nur ein einziges Kind von der Nadel, dieser schrecklichen Geisel, befreit wird...“

Ja, so ist der Onkel Egidius, und das Schöne: Er meint alles genau so, wie er's von sich gibt. Allerdings, der freundliche Senior (69) kann auch ein rechter Herr Braun sein! Dann, wenn es ums Geschäft geht, das mindestens Zweitwichtigste nach dem Nachwuchs. Aber auch das versteht der rüstige Aachener mit dem nötigen Gefühl zu erledigen. Geschäfte macht man mit Freunden, mit „lieben Freunden“, am liebsten mit denen von Mercedes-Benz.

Und wenn man schon in Stuttgart gegen Italien spielt, dann schaut man auch bei den Freunden vorbei. Am Montag hat Braun also den Glaubensbruder Berti und dessen komplette Truppe in die Cannstatter Sporthalle des Automobilkonzerns geschleppt, um 500 per Los ermittelten Daimler-ArbeiterInnen die Anekdote zum besten zu geben, wie einst in Mailand ein Kardinal den Egidius fragte, warum er ausgerechnet die Stuttgarter Oberklassenkarosse zu bewerben gedenke. Den nahm Braun gehörig ins Gebet: „Wir streben diese Weltgeltung an“, beschied er den Kirchenmann, „die Mercedes- Benz jetzt schon hat.“

Prädikat: deutsch und gut und nicht billig. Und warum wirbt Mercedes mit den Bundeskickern? „Der DFB“, sagt Personal-Vorstandschef Heiner Tropitzsch, „ist für uns ein Sympathieträger.“ Prädikat: gut und deutsch. Und gar nicht einmal teuer.

Während der professionellst verplanten Stuttgarter Promotion- Tour geht der gute alte Stern durch sämtliche Medien, wird nichts ausgelassen bis hin zu einer Dauerwerbesendung namens „Sport im Dritten“, in der am Sonntag live aus dem Firmenmuseum (!) ein offensichtlich gleichgeschalteter Moderator – keineswegs zufällig Sportchef „Gerry“ Meier-Röhn – so ungerührt Firmennamen („Warum auch nicht?“) herunterrasselte, daß selbst Studiogast Vogts („wir haben hier so einen großen Sponsor Mercedes“) kaum nachkam.

Überhaupt, Berti: „Ich spreche nicht von Sponsor“, rief Chef Egidius den Werksangehörigen zu, „ich spreche von Partner.“ Partner bei dem mühsamen, aber lohnenswerten Unternehmen, „den amerikanischen Markt“ zu erobern, wie es DFB-Pressesprecher Wolfgang Niersbach mit ungewollter metaphorischer Präzision erläuterte. Sollte es im Sommer gelingen, versicherte er den Arbeitern, hätten auch sie „ihren Anteil“.

Dann durften die schwäbischen Schaffer sich aufs Investigieren verlegen und erkunden, was sie schon immer dringend wissen wollten. Dies nämlich: Wechselt Lothar Matthäus innerhalb der Bundesliga? – „Kann ich mir nicht vorstellen.“ Freut sich Jürgen Klinsmann auf das Spiel? – „Unheimlich!“ Bleibt Köpke auch bei Abstieg beim Club? – „Noch keine Gedanken gemacht.“

Von Guido Buchwald wollte man wissen, wie das sei, wenn man im nationalen Team Spieler als Kameraden antreffe, denen man noch jüngst die Knochen poliert habe, wofür sich jener aber zunächst mit dem Hinweis für unzuständig erklärte, er sei, „wie jeder“ wisse, „der fairste Spieler in der Bundesliga“, ehe er überraschend einen Rückzieher machte und nun plötzlich „Spaß beiseite“ lassen wollte.

Warum, fragte man hernach Personalvorstand Tropitzsch, bewegte nur banale Tagesaktualität die hart arbeitenden Produzierer, nicht aber materielles Gefälle und sozialer Neid? „Jeder weiß, daß die Fußballer gut verdienen“, erwiderte der auch Gutverdienende lässig. Das sei eben erstens eine „herausragende Gruppe“, und im Sport sei es zweitens wie im schlichten Leben halt auch.

Man brauche aber auch Glück, pflegte Berti Vogts gern die Verantwortung des einzelnen für Erfolg und daraus resultierenden sozialen Aufstieg etwas abzuschwächen, um dann allerdings stets knallhart nachzusetzen, Glück habe aber nur der Tüchtige. Immerhin durften sich die „lieben Freunde“ von der Basis dann zum Erinnerungsfoto neben den kleinen Mann stellen, der, wie es seine Art ist, mit den Händen auf dem Rücken jedesmal aufs neue stramm stand, wenn die Polaroids klickten.

Dann mußte er aber weg, um mit seinen Schutzbefohlenen noch kräftig zu exerzieren, denn „natürlich“, sagt Mercedes-Mann Tropitzsch, „müssen wir gewinnen.“ Er meint: gegen Italien, das Länderspiel. „Selbst wenn die uns das Hundertfache geboten hätten“, pathetet DFB-Präsident Braun, „wir würden's nie tun.“ Er meint: für einen japanischen Autokonzern werben. Zwei Partner – eine Sache! Und wie es der Zufall so will: Gespielt wird heute im Gottlieb-Daimler-Stadion.