Kritik an SPD-Steuerplänen hält an

■ Auch nach der Sitzung des SPD-Parteivorstands und einer Richtiigstellung der Einkommensgrenzen geht der Streit um die Steuerpläne der Sozialdemokraten weiter / Waigel hält Scharping falsche Zahlen vor

Bonn (taz) – Die Bundesregierung, in diesem Fall vertreten durch den Finanzminister, ließ die günstige Gelegenheit nicht aus und setzte nach. Falsche Zahlen, hielt Theo Waigel gestern den Sozialdemokraten vor, die gerade mühselig ihren Streit um die Ergänzungsabgabe beigelegt hatten. 28 Milliarden Mark soll der 7,5-prozentige Solidarzuschlag in die Staatskassen bringen. Wenn die SPD das mit ihrer Ergänzungsabgabe erreichen wolle, könnten nur Bruttoeinkommen bis 44.000 (Ledige) oder 88.000 (Verheiratete) freigestellt werden. Bei den Einkommensgrenzen der SPD fehlten sechs Milliarden Mark staatliche Einnahmen. Nach allen Regeln der Kunst hatte sich der Parteivorstand der SPD am Montag bemüht, die Wogen über die Ergänzungsabgabe wieder zu glätten. Als „Mißverständnis“ entpuppte sich schließlich die Aufregung über die Einkommensgrenzen, die Parteichef Rudolf Scharping am vergangenen Freitag genannt hatte. Statt der gewohnten Grenzen von 60.000 Mark für Ledige beziehungsweise 120.000 für Verheiratete legte er sich auf 50.000 beziehungsweise 100.000 Mark fest und provozierte Kritik von mindestens zwei Fronten. Die Gewerkschaften fürchteten wegen zu niedriger Grenzen den Zugriff auf das Portemonnaie der kleinen Leute. Aus dem Regierungslager wurde kritisiert, die geplanten Umschichtungen seien für die Einkommenschwächeren nicht finanzierbar.

Am Ende der Parteivorstandstagung herrschte wieder Einvernehmen. Die Differenz über die Einkommensgrenzen wurde elegant beigelegt. Die 50.000/100.000 Grenze entspricht genau den alten Positionen, denn Scharping hatte vom „steuerpflichtigen Einkommen“ gesprochen, das dem 60.000/120.000-Brutto-Einkommen der alten Beschlüsse entspricht. Nur 23 beziehungsweise 46 Mark Differenz, rechnet der Vorstandsbeschluß vor, liegen bei diesen Einkommen zwischen dem geplanten Solidarzuschlag der Bundesregierung und der SPD-Ergänzungsabgabe. Aber rund 80 Prozent aller Steuerzahler würden von einer zusätzlichen Steuerleistung befreit, „während die Bundesregierung praktisch alle Lohn- und Einkommensteuerzahler mit dem Solidaritätszuschlag belasten wird.“ Welches Finanzvolumen die Ergänzungsabgabe in die Staatskassen bringen wird, darüber enthält der Vorstandsbeschluß keine Angaben. „Nicht professionell“, urteilte gestern Otto Graf Lambsdorff (FDP), während aus der Deutschen Angestellten- Gewerkschaft die Forderung nach höheren Einkommensgrenzen wiederholt wurde. Sie will die Einkommen bis 80.000 beziehungsweise 160.000 freistellen. tib