Auf der Spur von Umweltgiften mit ihren Patienten

■ Kinderärztliche Beratungsstelle arbeitet an Umweltmedizin

Osnabrück Die sieben jahre alte Gaby ist ganz blaß. Sie wirkt müde und unkonzentriert. Ihre Mutter geht mit ihr zum Kinderarzt. Der stellt einen deutlich erhöhten Bleispiegel im Blut von Gaby fest. Der erfahrene Kinderarzt steht vor einem Rätsel. Kurzentschlossen greift er zum Hörer und wendet sich an die Dokumentations- und Informationsstelle für Umweltfragen der Akademie für Kinderheilkunde und Jugendmedizin in Osnabrück. Rund 500 Anfragen von Medizinern, Gesundheitsämtern und besorgten Eltern werden hier im Jahr beantwortet.

Der Leiter dieser bundesweit arbeitenden kinderärztlichen Umweltberatungsstelle, Karl-Ernst von Mühlendahl, weiß auch in Gabys Fall Rat. Er erläutert dem Kinderarzt des Mädchens die verschiedenen möglichen Ursachen der schleichenden Bleivergiftung. Der Arzt vor Ort kann jetzt in der nächsten Sprechstunde dem Mädchen und seiner Mutter gezielter Fragen stellen. Gemeinsam kommen Arzt und kleine Patientin schließlich auf die Ursache des hohen Bleispiegels: Gaby trank oft aus einem exotischen Becher mit Bleiglasur. Das Schwermetall wurde langsam abgelöst und gelangte auf direktem Weg in den Körper des Mädchens.

Belastungen mit Schwermetallen sind ein Schwerpunktthema von Mühlendahl und seinen zwei Mitarbeitern in der seit 1992 arbeitenden Beratungsstelle. Bleibelastungen träten zum Beispiel auch durch Trinkwasser aus Bleirohren in Altbauwohnungen auf, berichtet Matthias Otto. Der Biochemiker der Beratungsstelle versucht, gute Kontakte zu den rund 7.000 Kinderärzten in Deutschland aufzubauen. „Die Umweltmedizin ist ein sehr junges Gebiet, das aber immer wichtiger wird. Vielen Kinderärzten fehlt es noch an Wissen in diesem Spezialbereich“, meint Otto.

Umso größer ist aus diesem Grund der Bedarf für die Osnabrücker Beratungsstelle. Ein ausgesprochen weites Spektrum von Erkrankungen und deren mögliche Ursachen wird hier abgedeckt. Es reicht von dem Dauerbrenner „Almalgam als Zahnfüllungen“ bis zu Allergien und Asthma. Bei diesen letzten beiden Erkrankungen liegt nach Auffassung von Mühlendahl genauso wie bei der Hauterkrankung Neurodermitis der Zusammenhang mit Umweltbelastungen auf der Hand. Für ihn ist es wichtig, die wesentlichen möglichen Krankheitsursachen in der Umwelt im Blick zu behalten. Das in der Vergangenheit immer wieder diskutierte Thema „Elektro-Smog“ ist für ihn dagegen zum Beispiel nur von geringer Bedeutung.

Heftiges Kopfzerbrechen bereiten den Experten der Umweltberatungsstelle die in den vergangen Tagen in der Öffentlichkeit diskutierten Mißbildungen bei Säuglingen. Von Mühlendahl ist drei solcher Fälle im Osnabrücker Raum auf der Spur. Es besteht zwar noch keine Klarheit, Mühlendahl bot den Nutzern der Beratungsstelle jedoch bereits zahlreiche wissenschaftliche Informationen zum Thema „Fehlbildungen bei Kindern“ an. Der Panikmache mit soliden Erkenntnissen zu begegnen, sei eine wesentliche Aufgabe der Osnabrücker Einrichtung, betont der Kinderarzt. Rolf Lampe/dpa