Die netten Nazis von nebenan

■ Wenn polnische Rechtsradikale in Auschwitz Büros mieten

Berlin (taz) – „Antisemitische Rechtsextremisten“ sollen sich in einer ehemaligen Kaserne am Rande des KZ-Gedenkstättengeländes von Auschwitz eingenistet haben. Diesen Vorwurf machte kürzlich in Berlin der Vizepräsident der kanadischen Auschwitz Awaraness Society, Sigmund Sobolewski, nach seiner Rückkehr von der Jahrestagung des Internationalen Auschwitz-Rates am 9. und 10. März. Die fragliche Kaserne, sagte er, sei vom Anwalt Mieczylslaw Jarosz angemietet worden, der wegen seiner Brandreden gegen „fremde antipolnische Kräfte, Freimaurer, Zionisten und Kosmopoliten“ 1991 aus der „Vereinigung der vom Dritten Reich geschädigten Polen“ hinausgeflogen war, sowie von Janusz Marszalek, Leiter des Kinderdorfes „Wioski Dziecieve“ (Maja) und, so Sobolewski, Mitglied der antisemitischen Organisation NSZ (Nationale Bewaffnete Kräfte).

Die Kaserne ist im Besitz der Stadt Oswiecim (Auschwitz); in ihr bewahrten früher die Nazis das Todesgas ZyklonB auf. Heute befinden sich darin das Kinderdorf- Hauptbüro sowie Büroräume und Archiv der Vereinigung „Polskich Ofiar Wojny“ (Polnische Opfer des Krieges). Letzter ist nach Angaben von Sobolewski, der selbst katholischer Pole ist und als politischer Häftling die Auschwitz-Nr. 88 trug, eine „dezidiert antisemitische Vereinigung“, der nur christliche Polen beitreten dürften und die laut Statut den Zweck habe, „den polnischen Charakter dieser Erde sowie die Ehre des bis heute betrogenen und unterdrückten polnischen Volkes zu wahren“.

Prominentestes Mitglied der Gruppierung sei der Geschäftsmann und Führer der Front der „Nationalen Selbstverteidigung“, Janus Bryckowski, der anläßlich der Gedenkfeiern zum 49. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz im Januar den russischen Rechtsextremisten Wladimir Schirinowski eingeladen hatte.

Offizielle Pächterin der Kaserne und des großen Geländes drumherum – früher eine Kiesgrube, in der die Nazis Hunderte von Juden erschossen – ist die Äbtissin des Frauenordens, die die Kaserne jahrelang zu einem umstrittenen Karmeliter-Kloster umfunktioniert hatte. Es war vom Jüdischen Weltkongreß als Versuch der „nachträglichen Christianisierung“ kritisiert worden; nach einem Machtwort des Papstes zogen die Katholikinnen dann im vergangenen Sommer schließlich aus. Aber Tage vorher schlossen sie mit Jarosz einen 30 Jahre gültigen Unterpachtvertrag ab – zum Spottpreis von 600 Mark pro Jahr. Die neuen Mieter wollen das von den Nonnen hinterlassene mehrere Meter hohe Holzkreuz durch ein Denkmal für die (christlichen) polnischen Opfer des Krieges ersetzen. Unter der Schirmherrschaft der Stadt habe, so Sobolewski, eine Ausschreibung stattgefunden. Im Januar habe sich die Stadtverordnetenversammlung mit 18 zu 6 Stimmen für einen „monumentalen Entwurf“ entschieden.

Der Beobachter der Bundesregierung beim Internationalen Auschwitz-Rat, Ex-Bundestagsvizepräsident Heinz Westphal (SPD), sagte auf Nachfrage, daß die Museumsleitung die Aktivitäten der „Polskich Ofiar Wojny“ mit „großer Sorge“ verfolge. Ein „eventuelles Monument“ widerspräche den Vorstellungen des Internationalen Rates, keiner einzelnen Opfergruppe ein individuelles Denkmal zu setzen. Doch sei das eine innerpolnische Angelegenheit. Westphal widersprach der Behauptung Sobolewskis, das Kinderdorf „Maja“ stünde unter rechtsradikalem Einfluß. Es sei eine „rein humanitäre Organisation“, die mit Geldern aus der „Stiftung polnisch-deutsche Aussöhnung“ unterstützt werde. Anita Kugler