: „Die Stimmung ist jetzt gegen uns“
■ Kurdische Immigranten in Frankfurt befürchten, daß sie durch die Protest- aktionen auch ihre letzten Sympathien bei den Deutschen verspielt haben
„Das ist alles von der PKK gesteuert. Die Kurden, die dabei mitmachen, die kennen die Verhältnisse in Deutschland nicht. Die beteiligen sich an den knallharten Aktionen, weil sie frisch aus den knallharten Verhältnissen in Kurdistan kommen. Aber wir leben hier in einer demokratischen Industriegesellschaft und nicht in Anatolien.“ Achmed K. (Name geändert, die Red.) ist Kurde und seit knapp zwei Jahren deutscher Staatsbürger. Bei Achmed K. in Frankfurt am Main gibt es „the best Döner in town“. Und wenn die Kebabbude in der City dicht ist, betreut der 42jährige Mann mit dem Schnauzbart unter die Räder gekommene Landsleute. Die meisten Flüchtlinge aus Kurdistan, sagt Achmed K., seien froh, der Hölle Kurdistans entkommen zu sein. Und mit der PKK hätten die Kurden in Deutschland mehrheitlich nichts zu tun.
Der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) wirft Dilber M. (Name geändert, die Red.) „Pol-Pot-Methoden“ vor. Ihr sei jedes Mittel recht, um in Westeuropa die Aufmerksamkeit auf ihren Kampf gegen die türkischen Militärs zu richten. Dilber M. hat vor Monaten mit der PKK gebrochen – als in Wiesbaden eine Bombe in einem türkischen Lokal explodierte und dabei ein junger Mann ums Leben kam. „Natürlich fordern wir Kurden einen eigenen Staat, oder wenigstens den Autonomiestatus für unser Land in der Türkei.“ Aber für die erwünschte breite Unterstützung für die berechtigten Forderungen des kurdischen Volkes sei es geradezu „kontraproduktiv“, wenn die PKK jetzt auch im Ausland auf Aktionsformen setze, die „in Deutschland und in ganz Europa“ kein vernünftiger Mensch nachvollziehen könne: „Ich habe im Fernsehen die wütenden Deutschen gesehen und gehört, wie die während der Autobahnblockade im Stau stehen mußten. Die haben uns zum Teufel gewünscht. Und wenn bei denen einmal so etwas wie Mitleid mit unserem geschundenen Volk da war, dann ist dieses Gefühl nach diesen Aktionen in Haß umgeschlagen.“
Für Achmed K. steht fest, daß es nach den Krawallen der letzten Tage für die Ausländerbehörden leichter geworden ist, kurdische Flüchtlinge aus Deutschland abzuschieben: „Die Stimmung ist jetzt gegen uns.“ Noch in der vergangenen Woche sei es gelungen, ein auf Anweisung der Ausländerbehörde in einer Blitzaktion in die Türkei abgeschobenes Mädchen wieder zurück nach Deutschland zu holen – nach Massenprotesten von MitschülerInnen, aller Eltern und auch der LehrerInnen: „Ob das nach dem brennenden S-Bahnwaggon in Wiesbaden und den Krawallszenen auf den Autobahnen noch einmal möglich sein wird, ist mehr als fraglich.“ Erst vor wenigen Tagen wurde im Landkreis Groß-Gerau ein junger Kurde, der seine Aufenthaltserlaubnis im Landratsamt verlängern lassen wollte, vom Fleck weg festgenommen, auf den Flughafen verfrachtet und ausgeflogen.
Auch die Grünen im hessischen Landtag, die mit Innenminister Herbert Günther (SPD) seit Monaten im Clinch liegen, weil der den Abschiebestopp für Kurden aufgehoben hat, kritisierten „bei allem Respekt vor der Verzweiflung der Menschen“ die Aktionen der letzten Tage. Denn die hätten politisch vor allem denen genutzt, die wie Bundesinnenminister Kanther jetzt „nach dem Vorbild der türkischen Militärs kurzen Prozeß ohne Pardon“ forderten. Wie zur Bestätigung dieser Einschätzung verlangte die CDU- Fraktion im hessischen Landtag gestern die Massenabschiebung von abgelehnten kurdischen AsylbewerberInnen: „Die Rechtslage ist eindeutig, weite Teile der Türkei sind verfolgungsfrei. Wir warnen die Landesregierung und die rot-grüne Mehrheit vor einem bewußten Rechtsbruch.“
In Solidaritätsgruppen wie etwa bei den „Freundinnen und Freunden des Kurdischen Volkes Mainz/ Wiesbaden“ kann man dagegen den „Sturm der Entrüstung in der deutschen Öffentlichkeit“ nicht nachvollziehen. Im Gegenteil: Weil die Waffen, mit denen das türkische Militär in Kurdistan die Zivilbevölkerung terrorisiere, auch aus Deutschland kommen und deutsche Richter die PKK „als terroristisch abgestempelt“ hätten, sei es richtig, den Kurdenkonflikt „gerade in Deutschland“ auszutragen. Mit ihren Aktionen habe die PKK bewiesen, daß man die „Organisation des kurdischen Volkes“ (so ein PKK-Sprecher) nicht mit Verboten „erledigen“ könne. Klaus-Peter Klingelschmitt,
Frankfurt/Main
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