Die Last von Prinz Dracula

■ Der Mann ist Antiquitätenhändler, in Berlin-Schöneberg geboren - und heißt Ottomar Rodolphe Vlad Dracula Prinz Kretzulesco / Des blutrünstigen Grafen letzter Nachkomme

Draculas letzter männlicher Nachfahre lebt mitten in Berlin. Doch Ottomar Rodolphe Vlad Dracula Prinz Kretzulesco, von Beruf Antiquitätenhändler, geistert nicht im roten Samtumhang durch das nächtliche Berlin, um schönen Frauen in den Hals zu beißen. Seine Zähne sind normal gewachsen, er spricht auch nicht mit Fledermäusen und schläft schon gar nicht in einem kühlen Sarg, sondern zu Hause im warmen Bett. Prinz Kretzulesco ist ein ganz seriöser Geschäftsmann und wurde vor rund 50 Jahren als Ottomar Berbig in Schöneberg geboren.

Der letzte Nachkomme des blutdurstigen Grafen Dracula ist somit weder ein legitimes noch ein illegitimes, sondern ein „auserwähltes“ Mitglied der Kretzulescos, deren Stammesgründer Vlad Dracul zu Beginn des 15. Jahrhunderts als Fürst in der Walachei lebte.

„Ich bin von der letzten als Kretzulesco geborenen Prinzessin Katharina Olympia an Sohnes Statt angenommen worden“, erzählt Ottomar Rodolphe Vlad Dracula Prinz Kretzulesco. Den Begriff Adoption findet er in diesem Fall unzutreffend: „Bei den reichen und politisch einflußreichen Familien Europas war es von jeher üblich, einen befähigten Mann an Sohnes Statt anzunehmen, wenn die Familie mangels männlicher Nachkommen auszusterben drohte.“ Eben dies sei bei den Kretzulescos der Fall gewesen. Daß ausgerechnet Ottomar Berbig aus Schöneberg dazu auserwählt worden sei, müsse wohl in den Sternen gestanden haben, meint er. Jedenfalls will er nicht seinen tatsächlich vorhandenen rumänischen Vorfahren dafür verantwortlich machen, dem er seine hohen Wangenknochen, braunen Augen und üppigen schwarzen Locken verdankt.

Den ersten Kontakt zu der alten Familie habe er vor rund 20 Jahren gefunden, als eine ältere Dame in seinen Laden gekommen sei, um Familiensilber schätzen zu lassen. Dem Fachmann fiel sofort das ungewöhnliche Wappen auf, und nach und nach habe er so die Familiengeschichte der Kretzulescos erfahren. „Es war der Beginn einer außergewöhnlichen Freundschaft“, erzählt der Mann, der seit sechs Jahren ganz offiziell Prinz Kretzulesco heißt.

„Es war nicht einfach, in diese neue Identität zu schlüpfen“, meint er und gesteht, daß er fast drei Jahre brauchte, um den neuen Namenszug ohne Hemmungen schreiben zu können. Außerdem habe er mit seinen neuen Würden ja nicht nur den Glanz, sondern auch Verantwortung übernommen: „Früher, da konnte man eigentlich alles machen, aber jetzt fühle ich mich der Tradition und dem Ansehen der Familie verpflichtet“, sagt er.

Doch das ist nicht die einzige Last des Prinzen: Damit die ganze Adoptionsprozedur überhaupt sinnvoll ist, müßten er und seine Lebensgefährtin Barbara eigentlich für Nachwuchs sorgen. Für männlichen Nachwuchs, versteht sich, der den Namen der Familie weitergeben kann. „Das ist schon eine ziemliche Belastung“, meint Barbara dazu. Doch versuchen wollen sie es immerhin im nächsten Jahr: Dann nämlich möchte der Prinz mit seiner Barbara in der Nähe von Berlin ein Museum inklusive Parkanlage eröffnen.

„In erster Linie wollen wir die verwickelte Familiengeschichte der Kretzulescos seriös aufarbeiten“, erklären die beiden. Doch sie planen auch, die Geschichte der Legenden vom blutrünstigen Vampir Dracula, der die türkischen Eroberer einst durch Pfählen unschädlich gemacht haben soll, zu dokumentieren. Und außerdem wäre dort draußen endlich auch Zeit und Platz, um für Nachwuchs zu sorgen. Selbst wenn es „nur“ weiblicher werden sollte. Barbara Maaßen (AP)