Zweikampf-Solo

■ „The Rape of Lucrece“ – letzte Premiere des Globe Theaters Esplanade

Vor einem Jahr verfluchte auf der Bühne des Globe Theaters die Liebesgöttin die Liebe. Jetzt sieht die Welt die Folgen: Hingerissen von verbrecherischer Leidenschaft, vergewaltigt der letzte römische König Tarquinius Superbus die keusche Lukretia und richtet sie und sich zugrunde. Vor einem Jahr, als Barbara Geiger Shakespeares Versepos „Venus und Adonis“ spielte, verdeckte ein weißes Tuch den Bühnenhintergrund – passend zur überwiegend komischen Handlung. In „The Rape of Lucrece“ ist die Bühne schwarz verhängt, und ganz in Schwarz, zu dumpf hämmernder Musik, tritt auch die Künstlerin auf, um in der Pose einer Schicksalsgöttin die Vorgeschichte des Verbrechens zu berichten. Am Ende wird sie in derselben Haltung Lucreces Selbstmord und Tarquins Sturz erzählen.

Die „Turlygood Theatre Company“ unter der Regie von Katrin Magrowitz hat alle beschreibenden Partien gestrichen und das lange Versepos so auf Vierzig-Minuten-Format gebracht. Barbara Geiger spricht nur die wichtigsten Monologe der beiden Hauptfiguren. Virtuos wechselt sie von der gewalttätigen Haltung Tarquins, in dem Triebhaftigkeit und Gewissen miteinander fechten, zu der sanft und eindringlich sprechenden Lucrece, schlägt sich selbst brutal die Hand vor den Mund und reißt sich so zu Boden, daß man tatsächlich zwei Figuren auf der Bühne zu sehen glaubt. Nur langsam kommt Lucrece wieder zu sich. Ganz in sich zusammengekauert, beginnt sie zu singen wie die wahnsinnige Ophelia: „Why should the worm intrude the maiden bud?“

„The Rape of Lucrece“ war die letzte Premiere im Globe Theater im Esplanade, das am 31. März schließen muß, um den Bauarbeiten von Sony Platz zu machen. Damit vertrocknet die einzige Oase inmitten der Wüstenei des Potsdamer Platzes. Der düsteren Stimmung auf der Bühne entsprach denn auch eine gedämpfte Atmosphäre im Foyer, in dem jetzt – nachdem Café und Kaisersaal bereits schließen mußten – einige Tische aufgestellt sind. „Ich begreife nicht, wieso der Abriß nötig ist. Es wäre so leicht, den Scheiß-Beton um diese Räumlichkeiten herumzubauen“, sagt Wilmar Guerteler, einer der Zuschauer, und fügt hinzu: „Dieses Theater hat viele neue Akzente gesetzt und hat deshalb eine Gruppe richtiger Fans – auch mich.“

Die Leiterin des Esplanade, Sabine Mehlhose, hat sich dagegen schon mit dem Abriß abgefunden: „Dieses Haus war für uns eine große Chance, aber wir wußten auch von Anfang an, daß es ein Ende haben würde.“ Ob das Theater und die dazugehörige Restauration im leerstehenden Ballhaus Tiergarten Asyl finden werden, ist noch nicht entschieden. Das Hauptproblem bei dem Ausweichquartier seien der hohe Mietpreis und die Kosten für die notwendige Renovierung, erklärte sie.

Wer bis Sonntag keine Zeit hat, die Inszenierung anzusehen, kann sich damit trösten, daß die Zeit gewohnt ist, „to fill with wormholes stately monuments“. Miriam Hoffmeyer

„The Rape of Lucrece“ kann noch begutachtet werden bis 27.3., 19.30 Uhr, im Globe Theater im Esplanade am Potsdamer Platz, Vorbestellungen unter Telefon: 265 10 78.